Nobelpreis für Elektroauge

Der Legende nach begann der Weg zum Nobelpreis mit einem Anruf seines Chefs im Oktober 1969. Der kanadische Physiker Willard Boyle saß in seinem Büro bei den berühmten Bell Labs, dem Forschungszentrum des damaligen US-Telefonriesen AT&T. Sein Chef rüffelte ihn, warum er nicht auch so etwas Schickes erforschen könne wie seine Kollegen ein paar Türen weiter mit ihren magnetischen Blasen. Boyle rief seinen Kollegen George Smith an. Beim anschließenden Brainstorming kamen sie auf eine revolutionäre Idee. Die beiden erhielten gestern den Nobelpreis, von den Magnetblasen hat man nie wieder groß etwas gehört.

Boyle und Smith ernteten zuerst große Skepsis für ihr Prinzip: Auf einer briefmarkengroßen Fläche mit winzigen Silizium-Halbleitern, exakt in Reih und Glied angeordnet, sollte Licht auftreffen und dort jeweils Elektronen losschlagen. Diesen fotoelektrischen Effekt hatte schon Albert Einstein entdeckt.

Das Neue an Boyles Idee war, dass man diese losen Elektronen Spalte für Spalte kurz zwischenspeichern und dann auslesen konnte.

Mithilfe von Mathematik und moderner Elektronik geht das Lesen in großer Geschwindigkeit. Boyle nannte es Charge-coupled Device, auf Deutsch etwa: ladungsgekoppeltes Teil oder CCD. Sie kann Bilder schneller speichern und auslesen als eine herkömmliche Filmkamera – und das auch noch 1.000-mal empfindlicher. Das elektronische Auge war geboren.

Anfangs wurde die Technik vom Militär für Spionagekameras oder das berühmte Hubble-Teleskop genutzt. Ab Mitte der 80er-Jahre revolutionierte der CCD-Chip dann den Markt der Video- und Fotokameras.

Boyle wundert sich selbst über seinen weiten Weg, wie er auf der kanadischen Wissenswebsite www.science.ca erzählt: In seinem Geburtsort 350 Kilometer nördlich von Québec fuhren „wir nicht mit dem Auto, sondern mit Hundeschlitten“. Er ging erst ab dem Highschool-Alter zur Schule, vorher wurde er von seiner Mutter privat unterrichtet. In seiner Kindheit hatte sein Dorf nicht einmal elektrischen Strom, der Forscher Boyle hingegen revolutionierte einen ganzen Bereich der modernen Elektronik. REINER METZGER