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Impfpflicht zulässig?

Vier Familien haben Verfassungs­beschwerde eingelegt

Am Sonntag gingen beim Bundesverfassungsgericht mehrere Klagen gegen Masern-Impflicht ein. Geklagt haben Familien aus Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein, die ihre Grundrechte verletzt sehen.

Die Eltern wollen ihre Kinder demnächst in einen Kindergarten, eine Kita oder zu einer Tagesmutter geben. Sie müssen aber mit einer Ablehnung rechnen, weil die Kinder nicht (ausreichend) gegen Masern geimpft sind. Die Verfassungsbeschwerden werden koordiniert von der bundesweit aktiven „Initiative freie Impfentscheidung“.

Zwar führt das am 1. März in Kraft getretene Gesetz keinen Impfzwang für Kinder ein. Die Verweigerung der Kita-Betreuung komme dem aber nahe, so die Kläger. Auch die Bundesregierung spricht von einer „Impfpflicht“. Die Kläger stützen sich auf ein Gutachten des Bayreuther Rechtsprofessors Stephan Rixen. Der sieht in der Impfpflicht einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Kinder, weil die Masernimpfung zu Impfreaktionen wie Rötungen und in seltenen Fällen zu Allergien und anderen Nebenwirkungen führen könne. Außerdem greife der Staat durch seine Impfvorgabe in das Elternrecht ein.

Diese Eingriffe seien nicht gerechtfertigt, so Rixen, der die Familien jetzt auch in Karlsruhe vertritt. Die Impfpflicht verfolge mit dem Schutz vor Masern zwar ein „legitimes Ziel“, sie sei aber „unverhältnismäßig“. So sei die Impfpflicht erstens „nicht erforderlich“, um Impfraten über 95 Prozent zu erreichen, betont Rixen. Eine bessere Impfberatung würde genügen. Die Impfpflicht sei zweitens auch „nicht zumutbar“, weil in Deutschland keine reinen Masern-Impfstoffe zur Verfügung stehen; die Mehrfachimpfung steigere auch die Risiken.

Drittens macht Rixen geltend, dass die meisten Kinder schon mit der ersten Masernimpfung immun seien. Eine zweite Impfung, die nur der Gemeinschaft nütze, sei ebenfalls „unzumutbar“. Vierter rechtlicher Einwand: Die Impfpflicht sei „nicht folgerichtig“ umgesetzt, weil es „weitreichende Ausnahmen“ gebe, etwa wenn eine Tagesmutter in den Haushalt der Eltern kommt.

Das Bundesverfassungsgericht hat noch nie über Impfpflichten entschieden. Doch lässt das Gericht dem Gesetzgeber meist großen Spielraum. Vermutlich sind die Verfassungbeschwerden der vier Familien bereits unzulässig, weil sie direkt das Gesetz angreifen, statt zunächst den Rechtsweg durch die Instanzen zu beschreiten. Die Kläger bezweifeln jedoch, dass sie dort „zeitgerechten Rechtsschutz“ erhalten können.

Sicherheitshalber bereitet die Initiative parallel bereits Klagen und Eilanträge bei verschiedenen Verwaltungsgerichten vor. Diese sollen in den kommenden Wochen eingereicht werden.

Christian Rath