corona in hamburg
: „Das hält das Sytem nicht gut aus“

Foto: privat

Nico Czaja, 41, ist Mitbesitzer eines Bioladen-Kollektivs in Ottensen und der Freund der Autorin, die derzeit im Homeoffice arbeitet. Über die Hamsterkäufe haben die beiden gesprochen, nachdem Nico von der Arbeit aus seinem Laden kam.

Interview Friederike Gräff

taz: Was hast Du gedacht, als Du dem ersten Hamsterkäufer in eurem Laden begegnet bist, Nico?

Nico Czaja: Die zentrale Frage, die ich mir gestellt habe, war die nach dem Eskalationsgrad: spricht man die Person an? Und wenn ja, wie zornig? Verbiete ich ihr den Kauf von 15 Gurken,­ weil ich weiß, dass dann nicht genug­ Gurken für alle bleiben?

Hast Du was gesagt?

Ich habe ihr gesagt, dass das zu viel und nicht nötig, sogar schädlich ist und erklärt, warum. Sie sagte, dass sie Angst habe, in drei Tagen nicht mehr einkaufen zu dürfen, lachte verlegen und bestellte drei Brote. Es ist ja derzeit schon ratsam, selten und dann mehr einzukaufen. Es ist aber nicht ratsam, aus einer Angsthaltung, dass bald alles zusammenbricht, sich einzudecken als sei es der Tag vor der Apokalypse.

Warum nicht?

Weil es nicht nötig ist, es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Lebensmittelversorgung zusammenbricht. Das ist aber das, was die Leute annehmen. Zugleich ist es das Hamstern, nicht das Virus, was das System nicht gut aushält. Genau dieses Einkaufsverhalten aus Angst vor einer zusammenbrechenden Versorgung macht die Versorgung schwieriger, es ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Wie viele solcher HamsterkäuferInnen gibt es?

Es ist ein schmaler Grad: Hamstern die Leute oder kaufen sie einfach mehr und seltener ein – was ja durchaus klug ist. Ich würde sagen: Alle kaufen deutlich mehr ein, diejenigen, bei denen es den Grad des Zumutbaren übersteigt, sind ein oder zwei Leute pro Tag. Aber dadurch, dass insgesamt alle mehr einkaufen, ist die Belastung von Personal und Lieferanten­ sehr groß.

Was kaufen die Leute denn jetzt vor allem?

Was sie wohl überall jetzt kaufen: Nudeln, Reis, Kartoffeln und Klopapier. Warum sie so viel Klopapier kaufen, ist mir übrigens ein Rätsel.­

Hat sich die Stimmung bei euch im Laden verändert?

Es herrscht ein anderer Ton. Ich glaube, da geht es in den großen Supermärkten noch ganz anders zu. Es gibt bei uns Empathie, man möchte sich ständig gegenseitig alles Gute wünschen. Man spürt viel Solidarität als Menschen, die gemeinsam diese Krise bewältigen müssen und völlig verunsichert sind. Aber es hat deutlich an Leichtigkeit eingebüßt. Die Leute verwenden nur die Hälfte ihrer Kapazität aufs Plaudern, weil sie die andere Hälfte dafür brauchen, den Abstand zu regulieren.

Du hast im Newsletter eures Ladens ganz explizit geschrieben: keine Notwendigkeit für Hamsterkäufe. Gab es da eine Reaktion?

Ziemlich viele. Viele haben sich bedankt und auf andere hat es eine beruhigende Wirkung gehabt. Vermutlich ist es eine Nachricht, die man aus dem Mund eines Lebensmittelhändlers gerne hört, weil sie einem vielleicht gewichtiger­ vorkommt als in der Zeitung. Ob es sich auf das Einkaufsverhalten niederschlägt, weiß ich noch nicht.