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: Tagebuch eines Gestrandeten (2)

Am Mittwoch kommt der erlösende Anruf. Ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Rabat ist am Telefon. Er habe eine gute Nachricht, ich könne jetzt ausreisen, samt Freundin und Kind. Es ist wunderbar. Nach vier Tagen Warten endlich Hoffnung für die rund 4.000 in Marokko gestrandeten Touristen.

Sonntag hatte die dortige Regierung alle Flüge nach Deutschland gestrichen – für mindestens 14 Tage. Unser Rückflug sollte vier Stunden nach der Frist für die letzten Starts losgehen (siehe taz sachen von Dienstag). Am Flughafen gab es keine Abflüge, keine Betreuung durch die Airline, keine Infos. Außer: Sie müssen warten, Sie werden benachrichtigt.

Am Montag hören wir zunächst, dass auch in Marokko alle Restaurants und Cafés ab 18 Uhr dichtmachen. Dann verkündet unser Hostelchef, er werde sein Haus am Dienstag schließen. Und wir?

Es ist einer dieser Momente, in denen mir der Gedanke durch den Kopf schießt: Ich möchte niemals Flüchtling sein. Wir sind immer noch total privilegiert. Deutscher Pass. Genug Essen. Geld auf dem Konto. Dennoch macht sich jetzt Panik breit.

Abends erreicht mich eine Mail von der Deutschen Botschaft, auf deren Notfallliste mit dem hübschen Namen „Elefand“ wir uns zwei Tage zuvor eingetragen hatten. Man arbeite „mit Hochdruck“ daran, Rückreisemöglichkeiten für deutsche Staatsangehörige zu schaffen, heißt es darin. Aber auch: „Evakuierungsflüge sind derzeit nicht im Gespräch.“ Stattdessen solle man mit seiner Airline Kontakt halten.

Die meldet sich nicht. Die hat auch selbst Kontaktnummern genannt, unter denen ich aber nur eine arabisch-französische Ansage zu hören bekomme, irgendwas mit „plein“ – voll.

Wir fahren Dienstag früh auf eigene Faust zum Flughafen und haben Glück. In der hintersten Ecke der Abfertigungshalle werden Tickets verkauft. Nach fast zwei Stunden Warten und für 530 Euro bekommen wir einen handgeschriebenen Zettel, der später am Check-in tatsächlich als Ticket akzeptiert wird.

Als wir auf dem Rollfeld vor dem Flieger stehen, könnte ich heulen. Und tue es auch.

Zurück in Berlin die Nachricht, dass Bundesaußenminister Heiko Maas jetzt ein großes Rückholprogramm für gestrandete Touristen startet. Und Mittwoch, als ich schon wieder in der Redaktion sitze, der eingangs erwähnte Anruf der Botschaft. Ich bedanke mich freundlich für die Hilfe, die wir nicht mehr benötigen. Drei andere werden sich über Plätze im Evakuierungsflieger gefreut haben. Bis alle deutschen Touristen ausgeflogen sind, werde es Tage dauern, heißt es. Gereon Asmuth

taz-Reisen: Auch die von der taz für LeserInnen organisierten Reisen in die Zivilgesellschaft sind vorerst abgesagt – vor Mitte Mai kann keine Reise mehr starten. Weitere Infos unter taz.de/tazreisen