Corona und der Kulturbetrieb: Jetzt daheim bleiben

Der Kulturbetrieb bekommt Corona deutlich zu spüren. Wir haben Aktuelles aus den Sparten Kino, Literatur, Musik, Kunst und Theater zusammengetragen.

Ein leerer Kinosaal.

Die Bühnen haben schon geschlossen. Folgen bald die Kinos? Foto: dpa

Noch sind die Kinos offen

Tom Hanks und seine Ehefrau Rita Wilson hat es erwischt. Am Donnerstag hatte Hanks über Instagram und Twitter mitgeteilt, dass sie positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Beide befinden sich seither in Quarantäne.

Die Pandemie hat längst große Teile der Kinobranche ereilt – in Ländern wie China, Südkorea und Italien wurden Kinos geschlossen, in Italien flächendeckend. Damit entgehen nicht allein den Kinobetreibern in den betroffenen Ländern ihre Einnahmen, auch für die restliche Branche bedeutet der Wegfall insbesondere der chinesischen Kinobesucher heftige Einbußen, da Filme wie das Kriegsdrama „1917“ dort nicht anlaufen konnten. Starttermine werden rund um die Welt verschoben, am prominentesten der für Anfang April vorgesehene neue James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“, der kurzfristig auf November verlegt wurde.

Auch die Filmproduk­tio­nen selbst bekommen die Pandemie zu spüren. So mussten die in Venedig geplanten Dreharbeiten für den jüngsten „Mission Impossible“-Blockbuster abgesagt werden. Drehbücher werden unterdessen derart umgeschrieben, dass für die Aufnahmen keine Reisen nötig sind.

Hierzulande gibt es noch keine Verordnungen, dass Kinos allgemein ihre Türen schließen müssen. Doch in einigen Häusern machen sich erste Rückgänge der Besucherzahlen bemerkbar. So beobachtet Barbara Suhren vom Berliner FSK-Kino: „Natürlich können wir das sehr schwer einschätzen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass am letzten Wochenende eigentlich 50 Prozent mehr Zuschauer hätten kommen müssen.“

Mit dem Film „La Vérité“ von Hirukazu Koreeda gibt es derzeit immerhin Catherine Deneuve in einer Glanzrolle zu erleben. Noch: „Wenn nicht alles geschlossen wird, müssen wir wahrscheinlich unser Höchstplatzangebot senken“, kündigt Suhren an.

Andere Kinobetreiber lassen sich von der allgemeinen Entwicklung nicht aus der Ruhe bringen. Felix Graßmann vom Hamburger Kino Abaton etwa hält die Aufregung über Corona gar für populistisch: „Wir können derzeit keine Besucherrückgänge feststellen. Unser Publikum geht mit dem Thema anscheinend deutlich unaufgeregter um, als es Medien und Politik tun. Dass die Bild-­Zeitung Geld mit dem Schüren einer Massenhysterie verdienen will, überrascht nicht. Besorgniserregend ist nur, dass auch andere einstmals se­riöse Zeitungen dieses Geschäftsmodell für sich entdecken. So viel zum Populismus in Politik und Medien.“ Womöglich eine Mindermeinung.

Spannend bleibt weiterhin die Frage, ob in Cannes das wichtigste Filmfestival der Welt, für Filmbranche wie Filmkritik gleichermaßen, dieses Jahr ausfallen muss oder nicht. Noch soll am 16. April in der geplanten Pressekonferenz das Filmprogramm vorgestellt werden, das Festival bemüht sich unterdessen, die Größe der Veranstaltung und die zugelassene Zahl der Kinosaalbesucher zu begrenzen. Was dem ohnehin exklusiven Festival einen nochmals exklusiveren Charakter verleihen würde.

Allerdings gibt es in der Umgebung von Cannes erste Krankheitsfälle. Festivalpräsident Pierre Lescure räumte gegenüber dem Figaro jetzt immerhin die Möglichkeit ein, dass man bei Verschlechterung der Lage absagen müsse. Für die Filmwelt wäre das verheerend, weil sich viele Verleiher auf dem dortigen Filmmarkt mit wichtigen Titeln versorgen. Tim Caspar Boehme

Viel Zeit für Bücher

Benjamin Quaderer hat eine Roman­idee: „Ein junger Mann arbeitet mehrere Jahre an seinem Debütroman und als der veröffentlicht wird, bricht eine Pandemie aus und all seine Lesungen werden abgesagt“, schreibt er auf Twitter. Klingt nach Fiktion, ist aber leider Realität für ihn und für viele junge Auto­r*innen, deren Debüts in diesen Monaten erscheinen. „Vermutlich würden die Leser*innen sagen, dass die Idee ja ganz interessant, aber insgesamt viel zu ausgedacht sei“, schiebt Quaderer nach.

Sein Roman „Für immer die Alpen“ ist am 9. März herausgekommen. Also drei Tage vor dem geplanten Beginn der Leipziger Buchmesse und sechs Tage nach ihrer Absage. Er hat fünf Jahre an seinem Roman gearbeitet. In Leipzig hätten nun Lesungen und Interviewtermine auf ihn gewartet. Auch auf der lit.Cologne sollte er lesen.

Auch der Debütroman von Marina Frenk ist in dieser frühjährlichen Buchsaison erschienen, im Wagenbach Verlag. Allerdings bereits am 30. Januar – Glück im Unglück. Denn tatsächlich macht es jetzt einen großen Unterschied, ob der Verlag bereits einen Monat Zeit hatte, um Roman und Autor*in bekannt zu machen, oder ob die Werbetrommel erst auf der Buchmesse gerührt werden sollte.

Frenks ­Roman „ewig her und gar nicht wahr“ feierte seine Buchpremiere noch in der Volksbühne und wurde seither in der Zeit, der FAZ und im Freitag besprochen. Sie hat also nicht den ganz großen Schaden erlitten. Doch vor einem echten Publikum zu lesen wäre wohl trotzdem schön gewesen. Stattdessen liest sie nun am Samstag auf der „Virtuellen Buchmesse“ in Halle. Dort überträgt der MDR von Leipzig „hinübergerettete“ Lesungen im Livestream von 10 bis 20 Uhr.

Wenn das gewohnte Leben also zum Erliegen kommt, haben die Leute eigentlich viel Zeit, um Bücher zu lesen. Es ist doch auch eine romantische Vorstellung, so ein gemütlicher Lese-März (und vielleicht auch April und Mai) zu Hause. Darauf hofft auch Benjamin Quaderer: „Vielleicht können wir ja, bevor wir alle unter Quarantäne gestellt werden, noch kurz in eine Buchhandlung gehen und uns mit der ein oder anderen Neuerscheinung eindecken.“

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels befürchtet allerdings das Gegenteil. Genaue Zahlen gebe es noch nicht, aber mangels Sichtbarkeit und wegen des Ausbleibens von Impulsen rechnet man mit rückläufigen Verkaufszahlen und wirtschaftlichen Problemen. Denn trotz aller Alternativ­aktionen ist es schlichtweg so, dass sich immer weniger Menschen noch in die Stadt trauen. Bis auf Weiteres bleiben die Buchhandlungen wohl leer. Marlene Militz

Kurzarbeitergeld für Musiker beantragen ist kompliziert

„Wir folgen allen Empfehlungen des Gesundheitsamts und setzen diese sofort um, für das Wohl von Künstler:Innen, Veranstaltern und Zuschauern ist das absolut sinnvoll, finanziell tut es uns richtig weh“, erklärt Wieland Krämer. Der Mitinhaber der Berliner Booking-Agentur Powerline reagiert auf die Anfrage der taz gefasst. Obwohl gerade reihenweise langfristig gebuchte Konzerte und Tourneen seiner Künstler:Innen abgesagt werden.

Wenn es irgend geht, verlegt Powerline Konzertreisen in den Herbst, aber das geht eben nicht in jedem Fall, die Terminkalender der Veranstaltungsorte sind bereits voll, Auftrittsmöglichkeiten eingeschränkt. Aktuell trifft es etwa die „Legends of Entertainment“-Show von Christiane Rösinger, Stefanie Sargnagel und Denice Bourbon in Österreich, die ersatzlos gestrichen wurde.

Powerline, eine internationale Booking-Agentur, Anfang der Neunziger im wiedervereinigten Berlin gegründet, unterstützte die Karrieren von Bands wie The Notwist, Die Sterne und Bonaparte, man organisiert Auftritte und Touren hierzulande, betreut Künstler:Innen aber auch im benachbarten Ausland. Nicht nur etablierte Künstler werden begleitet, Powerline fördert auch Talente auf ihrem steinigen Weg zum Ruhm. Eine Situation, wie jetzt durch Corona entstanden, habe es so noch nie gegeben.

Versichert sei man dagegen nicht, „Force Majeure“, höhere Gewalt, erklären die Versicherungen. Eine vernünftige Risikoabwägung gebe es nicht. Kurzarbeitergeld zu beantragen sei „relativ kompliziert.“ Powerline lebt von den laufenden Einnahmen, wenn der Kontostand sinkt, droht die Pleite ziemlich schnell. Zwei, drei Monate könne man abfedern, trotz aller Einbußen.

Im Internetzeitalter bilden Konzerttourneen die finanzielle Grundlage von aktiven Bands, da der Verkauf von Tonträgern kaum noch Profit abwirft. Auch daher sieht Krämer dem Shutdown mit großer Sorge entgegen. Die Hoffnung: Wenn jetzt alles konsequent abgesagt wird, kann wenigstens die ab Mai beginnende Festivalsaison gerettet werden. Sie ist die Cashcow für die Agenturen.

Zusätzlich zu den Wochenend-Festivalterminen absolvieren ihre gebuchten Headliner-Bands unter der Woche gut bezahlte Clubgigs. Fällt diese Verdienstmöglichkeit dem Virus zum Opfer, wird ein Dominoeffekt einsetzen, glaubt Krämer, der Festivals, Clubs, lokale Veranstalter:innen und Bands in die Tiefe reißt. Daumen drücken, dass es anders kommt! Julian Weber

Bis auf Weiteres gechlossen

Die Pressevorbesichtigung am Donnerstag um 11 Uhr zu den Ausstellungen „Marken:Zeichen. Das grafische Atelier Stankowski + Duschek“ und „Tüte? Na, Logo! Plastiktragetaschen der 1960er bis 1980er Jahre“ fand noch statt. Die Journalisten und Journalistinnen konnten sich im Ausstellungsraum und im Foyer der Berliner Kunstbibliothek so verteilen, dass man sich selbst im Fall eines Falles nicht unbedingt anstecken musste. Die Ausstellungseröffnung am Abend freilich wurde abgesagt. Wie viele Gäste wären wohl gekommen?

Der Besucherrückgang am Kulturforum, wo neben der Kunstbibliothek und dem Kunstgewerbemuseum vor allem die Gemäldegalerie und das Kupferstichkabinett zu finden sind, sei deutlich spürbar, so der Pressereferent der Staatlichen Museen zu Berlin, Markus Farr. Die Führungen für Schulklassen und Besucher:innen fanden aber statt. Auch die sang- und klanglos eröffneten Ausstellungen der Kunstbibliothek sollten an den folgenden Tagen den Besucher:innen offenstehen. So der Stand von Donnerstagmittag.

Eine Situation, wie jetzt durch Corona entstanden, habe es noch nie gegeben

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Um 18.30 Uhr kam dann die Pressemitteilung des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, mit dem Tenor, die SPK werde sich der Berliner Haltung anschließen „und ab Samstag bis auf Weiteres den Publikumsverkehr in allen Einrichtungen der Staatlichen Museen zu Berlin, der Staatsbibliothek zu Berlin, dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, dem Staatlichen Institut für Musikforschung und dem Ibero-Amerikanischen Institut einstellen“.

Um 18.41 Uhr besagt dann die Pressemitteilung der Koelnmesse: „In enger Abstimmung mit dem Krisenstab der Stadt Köln und gemäß dem Erlass der NRW-Landesregierung zur Durchführung von Großveranstaltungen ab dem 10.03.2020 verschiebt die Koelnmesse GmbH die vom 23. bis 26.04.2020 geplante Messe für moderne und zeitgenössische Kunst Art Cologne. Sie findet in diesem Jahr nun vom 19. bis 22.11.2020 parallel zur Cologne Fine Art & Design in Köln statt.“

Auf den Herbst verschoben wurde auch das Berliner Gallery Weekend, insofern die größeren Veranstaltungen und Empfänge dann im Rahmen der Art Week nachgeholt werden sollen. Ausländische Besucher reisen jetzt sicher nicht an, trotzdem wollen die Galerien am Wochenende vom 1. bis 3. Mai öffnen. Werner Tammen, Vorstand im Landesverband der Berliner Galerien, appelliert an Staatsministerin Monika Grütters, aus Anlass der Coronaviruskrise den Beschluss zum erhöhten Mehrwertsteuersatz zurückzunehmen, der den mittelständischen Galerien in ganz Deutschland schwer zu schaffen macht.

Wie ein Kunstbetrieb ganz ohne Besucher aussehen soll, ist eine einmalige und bislang unbekannte Erfahrung. Niemand kann es sich vorstellen, obwohl virtueller Galeriebesuch und Handel durchaus schon etabliert sind. Brigitte Werneburg

Pest und Corona zur Passion

1633 raffte die Pest 80 Dorfbewohner von Oberammergau dahin. Als die Seuche von dem Ort und der Umgebung abließ, lösten die Bürger ihr Gelübde ein: Als Dank führen sie seitdem alle zehn Jahre ein großes Passionsspiel auf, das die letzten Tage im Leben von Jesus Christus darstellt. Nun ist es aus­ge­rechnet wieder eine Epidemie, die Coronavirus-Ausbreitung, die das 42. Spieljahr der Passion zunichtezumachen droht.

„Der 16. Mai steht weiterhin als Premierentag“, sagt Cornelia Thomas ein wenig trotzig. Die Berliner PR-Frau ist zuständig für den Auftakt mit jeder Menge Prominenz und Medienvertretern. Alle zehn Jahre strömt die Welt nach Oberammergau. Bis zum 4. Oktober sind rund 100 Vorstellungen angesetzt, 500.000 Besucher werden erwartet. „Die Corona-Sperre für Veranstaltungen in Bayern ist bis 19. April angesetzt“, meint Thomas, „gegenwärtig ist das Passionsspiel davon nicht betroffen.“ Es wird also weiterhin gehofft, dass sich die Sache zum Guten wendet.

„Die Proben gehen weiter“, berichtet Maximilian Mayet, Sprecher der Passionsspiele vor Ort. Gerade kommt ihnen zugute, dass die Massenszenen mit Schauspielern schon einstudiert sind. Bis Ende des Monats stehen Fotoaufnahmen auf dem Programm, wofür sich nicht viele Darsteller umeinander scharen müssen. „Wir schauen auch, dass die Älteren unter den Schauspielern jetzt daheim bleiben“, so Mayet.

In Passionsjahren wie diesem wird der 5.500-Einwohner-Ort zum Gesamtschauspiel. Schon lange vorher lassen sich die Männer Haare und Bärte wachsen, um auszusehen wie die Menschen zu Christi Zeiten. 2.400 Dorfbewohner wirken an dem Massenspektakel mit, darunter 600 Kinder. Seit 1987 ist der Regisseur Christian Stückl, auch Intendant des Münchner Volkstheaters, Spielleiter von Oberammergau. Beim letzten Mal im Jahr 2010 wirkten nicht nur christliche, sondern auch muslimische Oberammergauer mit.

„Momentan sind wir alle sehr gelassen, doch wir beobachten alles genau“, sagt Maximilian Mayet, dessen Bruder Frederik die zen­trale Jesus­-Rolle spielt. Doch was tun, wenn das Spektakel ausfallen muss? Alternativen wie etwa die Verschiebung um ein Jahr oder Übertragungen per Video ohne Publikum würden vom Gemeinderat beschlossen werden. Patrick Guyton

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.