Spannung an griechisch-türkischer Grenze: Athen bleibt hart

Griechenland wird vorgeworfen, Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei in ein geheimes Lager abzuschieben. Die Regierung weist das zurück.

Ein Mann und ein Kind gehen über einen Berg ausrangierter Schuhe

Flüchtlinge inmitten von Schuhen, der vor dem Lager Moria in Lesbos entsorgt wurden Foto: Aggelos Barai/ap

ATHEN taz | Nach zwei relativ ruhigen Tagen an der griechisch-türkischen Grenzregion am Fluss Evros, während derer sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit EU-Funktionären und Angela Merkel traf, hat sich ab Mittwoch die Situation wieder verschärft: Griechische Medien zeigten Bilder von Flüchtlingen und Migranten, die Feuer anzündeten und Molotowcocktails in Richtung griechischer Grenzschützer warfen. Ein Dorfbewohner berichtete im Fernsehen, wie zwei türkische Kampfjets den griechischen Luftraum verletzt hätten.

Die Regierung in Athen lässt aus der Türkei kommende Flüchtlinge und Migranten weiterhin nicht über die Grenze. Am Donnerstag besuchte der für die Polizei zuständige Minister Michalis ­Chrysochoidis die ­Grenzregion zusammen mit Frontex-­Exekutivdirektor ­Fabrice Leggeri. Die EU-Grenzschutzagentur hatte Griechenland Unterstützung zugesagt. Nach und nach treffen die einhundert versprochenen Frontex-Offiziere an der Grenze ein.

Es häufen sich Berichte über Menschenrechtsverletzungen. Zu einem New York Times-Artikel, wonach Flüchtlinge an der Grenze an einem geheimen Ort festgehalten werden, um ohne Asylverfahren in die Türkei zurückgeschickt zu werden, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas: „Wie geheim kann so ein Ort sein, wenn schon die New York Times darüber berichtet?“ Solche geheimen Orte gebe es nicht. Griechenland würde Verfassung, Gesetze und EU-Recht achten.

Doch die linksliberale Zeitung Efimerida ton syntakton sieht in Petsas Worten ein indirektes Eingeständnis der Existenz des Lagers. Sie verweist auf eine Studie des von der Universität Uppsala koordinierten Rechercheprogramms Respond Project, in der es um die Existenz dieses geheimen Lagers geht.

Kriegsschiff als Flüchtlingsunterkunft

Die Flüchtlinge und Migranten, die nach dem 1. März auf der Ägäis-Insel Lesbos angekommen sind, werden weiter auf einem Kriegsschiff am Hafen Mytilini festgehalten.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert, dass die Flüchtlinge und Migranten dort keine Möglichkeit haben, Asyl zu beantragen. Das Betreten des Schiffes, auf dem mehr als 450 Menschen untergebracht sind, wurde der Organisation verwehrt. Sie beruft sich auf einen syrischen Flüchtling auf dem Schiff sowie auf Fotos und Videoaufnahmen.

So sollen dort die Menschen – sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Irak, Palästina, Kongo und anderen afrikanischen Ländern – auf dem Boden schlafen müssen. Tagsüber würden sie an den Hafen und nachts wieder auf das Schiff gebracht, einschließlich Kinder und schwangerer Frauen.

Katastrophale Zustände schüren Virusängste

Wer in Lesbos vor dem 1. März – dem Tag, als Griechenland in Reaktion auf Erdoğans Grenz­öffnung die Flüchtlingspolitik verschärfte – angekommen ist, muss weiterhin im überfüllten Lager Moria ausharren.

Die katastrophalen Zustände dort schüren auf der Insel Ängste, dass sich das längst auch in Griechenland angekommene Coronavirus auf Lesbos unkontrolliert ausbreiten könnte. Bisher wurde erst eine Frau aus einem Ort 35 Kilometer von Moria entfernt positiv getestet. Sie hatte eine Pilgerreise nach Israel unternommen.

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