10.000 Infizierte, dichte Grenzen, strenge Dekrete: Italien im Coronafieber

Drastisch waren die Worte, die Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte fand, um die Notstandsdekrete der italienischen Regierung zu rechtfertigen. Winston Churchill sei ihm eingefallen und dessen Rede von „our darkest hour“, „unserer dunkelsten Stunde. Genau die durchlebe Italien jetzt.

Am Dienstagabend hatte in Italien die Zahl der Coronavirusinfektionen die 10.000er-Marke überschritten. Die Zahl der Toten schnellte auf 631 hoch, fast 900 Menschen befinden sich auf den Intensivstationen. Vor allem in der Lombardei, mit 5.800 Fällen das Epizentrum der Seuche, arbeiten die Krankenhäuser mittlerweile am Rand ihrer Kapazität, droht der Zusammenbruch einer Versorgung, die alle Kranken treffen könnte. Noch erklärt Giulio Gallera, Regionalminister für Gesundheit, eine Triage – eine Selektion der Patienten, nach der manche behandelt und die übrigen ihrem Schicksal überlassen würden – finde bisher nicht statt. Doch niemand mag die Hand dafür ins Feuer legen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Um solchen Gefahren zu begegnen, hat die Regierung zunächst am Sonntag den Bürgern in Norditalien, dann am Montagabend denen im ganzen Land rigide Einschränkungen verordnet. Vor die Tür darf nur, wer zur Arbeit muss oder Dringendes zu erledigen hat. Einigermaßen widersprüchlich ist das Dekret dann aber doch. Shoppen ist eigentlich untersagt, so wie vergnügliche Treffs im Restaurant. Doch die Boutiquen können vorerst ebenso öffnen wie, mittags zumindest, die Trattorien. Abends allerdings, ab 18 Uhr, müssen sie ebenso schließen wie die Bars.

Deshalb verlangt die Lombardei, das Dekret wenigstens für ihre Zone noch einmal zu verschärfen und schlicht alle Läden – außer Apotheken und Lebensmittelgeschäften – zu schließen. Am Mittwoch teilte Regionalpräsident Attilio Fontana mit, die Zahl der Infektionen sei binnen 24 Stunden noch einmal um 1.300 gestiegen, es sei „höchste Zeit“ für weitere Schritte. Walter Ricciardi, Funktionär der WHO und jetzt Sonderberater des ita­lie­nischen Gesundheitsministers, hält eine solche Maßnahme „für sinnvoll in der Lombardei, allerdings nicht in ganz Italien“. Die Lombardei mit ihrer Hauptstadt Mailand, sei mittlerweile „das Hubei Italiens“.

Dass rigorose Maßnahmen helfen, sehen die Behörden durch die Entwicklung der Fälle gerade dort, wo die Epidemie in Italien begann, als bewiesen an: in dem Städtchen Codogno und neun umliegenden Gemeinden. Dort war eine „Rote Zone“ eingerichtet worden, mit Komplettabriegelung sowie der vollständigen Unterbindung öffentlichen Lebens. Und Codogno konnte am Dienstag vermelden, seit dem Vortag habe es keine einzige Neuinfektion gegeben.

Fast 90 Prozent der Bürger billigen den Kurs der Regierung, und das Gros von ihnen würde auch noch strengere Maßnahmen durchsetzen wollen. In Mailand jedenfalls haben viele Geschäftsinhaber schon jetzt ihre Läden geschlossen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Folgen für die Wirtschaft dramatisch sein werden. So gab zum Beispiel Fiat Chrysler bekannt, man werde drei Produktionsstätten in Süditalien zwecks Prophylaxe erst einmal stilllegen.

Die Regierung reagierte am Mittwoch mit der Aufstockung des ursprünglich auf 7,5 Milliarden Euro ausgelegten Antikrisenpakets auf nunmehr 25 Milliarden. Unter anderem ist die deutliche Ausweitung des Empfängerkreises von Kurzarbeitsgeld auf bisher nicht berechtigte Arbeitnehmergruppen vorgesehen, dazu Zuschüsse für Babysitterkosten zugunsten derer, die nicht mehr die geschlossenen Kindertageseinrichtungen nutzen können, des weiteren Steuerstundungen für Selbstständige und Unternehmen.

Derweil findet sich Italien zunehmend von Rest der Welt abgeschnitten. Ryanair, Easyjet und zahlreiche andere Fluglinien haben alle Verbindungen ins Land gekappt. Slowenien und Österreich entschieden sich zur Schließung der Grenzen. Der Verkehr von Personenzügen über den Brenner ist eingestellt, nur Güterzüge fahren noch. Und am Autobahnübergang verlangen die österreichischen Beamten ärztliche Atteste, gestatten Italienern zwar die Durchreise, nicht aber die Einreise. Slowenien wiederum lässt nur noch seine eigenen Bürger sowie Menschen mit einem Wohnsitz in Slowenien ins Land. Michael Braun, Rom