Tante konnte es besser

Hamsterkäufe zu tätigen scheint der neue Berliner Volkssport zu sein. Der Gedanke an die richtige Lagerung der Vorräte bereitet unserer Autorin allerdings einiges Kopfzerbrechen

Eines der wichtigsten Hamsterobjekte: Nudeln. Hier die grazile Variante Foto: Erik Jan Ouwerkerk

Von Marina Mai

Für meine Tante ist so ein Warenlager Alltag: Sie wohnt auf dem Dorf und fährt vielleicht zweimal im Monat zum Supermarkt zum Großeinkauf. Braucht sie zwischendurch Reis, Saft oder Toastbrot, holt sie das aus dem Keller von ihren Vorräten.

Ich hingegen wohne in Berlin in einer kleinen Mietwohnung und brauche zwei Minuten zum Supermarkt. Will ich Spinat kochen und bemerke, dass nicht mehr genug im Haus ist, hole ich schnell Nachschub aus dem Supermarkt. Das hat Vorteile: Es kommt immer Frisches auf den Tisch. Doch seit Corona habe auch ich mir ein kleines Warenlager zugelegt. Nicht im Keller, denn bei dem Gedanken, etwas zu essen, was zuvor in dem unsanierten Keller meines Gründerzeithauses lag, wird mir übel. Aber ich habe ein paar Küchenschränke vollgestopft mit Reis, Linsen, Nudeln, Fertigsuppen und Kaffee. Der Kühlschrank ist ebenfalls gut gefüllt: mit Käse. Und im Gefrierfach ist Vorrat an Tiefkühlhimbeeren und -erbsen. Schließlich muss ich damit rechnen, zwei Wochen lang in häuslicher Quarantäne zu verbringen und da will ich niemanden für mich zum Einkaufen schicken müssen. So ein bisschen Hamstern halte ich nicht für panisch, sondern für durchaus rational. Das Bundesamt für Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt sogar, für alle Fälle Lebensmittel und Wasser für zehn Tage im Haus vorrätig zu haben: 3,5 Kilo Getreide, 4 Kilo Gemüse und Hülsenfrüchte, 2,5 Kilo Obst und Nüsse, 2,6 Kilo Milch und Milchprodukte, 1,5 Kilo Fleisch oder Eier. Dazu eigentlich noch 20 Liter Mineralwasser, was in meiner kleinen Wohnung allerdings völlig unmöglich ist. Da verlasse ich mich lieber darauf, dass das aus der Leitung kommt.

Hamster(n) (Cricetinae) stammen ursprünglich aus den trockenen und halbtrockenen Gebiete Eurasiens. Es gibt rund 20 Arten, in Mitteleuropa kommt nur der Feldhamster vor. Die Tiere betreiben clevere Vorratshaltung, um über den Winter zu kommen. Die innen liegenden Backentaschen dienen dem Nahrungstransport und können nach Belieben vergrößert und mit Getreidekörnern vollgestopft werden. Deshalb steht „hamstern“ für die menschliche Angewohnheit, Lebensmittel zu horten, sobald sie knapp werden oder knapp werden könnten. (heg)

Doch so eine Vorratswirtschaft bereitet mir einige Probleme und ich bewundere meine Tante, wie sie ein Leben lang damit klarkommt.

Problem Nummer eins: Wie viel Gewicht verträgt eigentlich so ein in die Küchenwand einer Gründerzeitwohnung montierter Hängeschrank? Ich habe mich entschieden, das nicht auszureizen, und habe einige Sachen lieber in der Küche verteilt. Da heißt es, den Überblick zu bewahren: Wo steht die H-Milch noch mal? Richtig, hinter dem Küchentisch. Drei Saft- und eine Weinflasche sind zwischen Kühlschrank und Spüle aufgereiht, dort, wo ich sonst Leergut gesammelt habe. Das musste ich aus Platzgründen erst mal ­wegbringen. Zwei Gläser Heidelbeeren habe ich unter der Spüle zwischen den Kochtöpfen verteilt.

Problem Nummer zwei: Immer den Überblick behalten. Ich konnte nie verstehen, warum meine Tante so viele abgelaufene Lebensmittel entsorgt. Jetzt weiß ich: Das passiert, wenn es im Kühlschrank nicht mehr übersichtlich ist und man die Zucchini eben ganz hinten im Fach verstaut und sie dann vergessen hat. Auf diese Weise setzen sie irgendwann Schimmel an. Passiert mir normalerweise so gut wie nie, weil mein Kühlschrank immer übersichtlich ist. Aber jetzt ist nicht normalerweise. Und da musste ich halt Zucchini entsorgen und entdecke bei der Gelegenheit gleich einen vergessenen Camembert im Kühlschrank. Das Haltbarkeitsdatum läuft in wenigen Tagen ab, also muss wohl oder übel in den nächsten Tagen der Camembert auf den Tisch. Habe ich noch etwas übersehen? Richtig, das Chutney sieht so aus, als könnte es bald eintrocknen. Sollte ich wohl mal essen. Eigentlich habe ich darauf keinen Appetit. Aber ich will es ja nicht verkommen lassen.

Problem Nummer drei: Vorräte animieren dazu, mehr und unkontrolliert zu essen. Zum Beispiel die Salami, die ich an wenigen Abenden in Anfällen von plötzlichem Appetit vernascht habe. Salami habe ich lange nicht mehr gekauft, weil sie unvorstellbar viele Kalorien hat. Und spätabends essen ist ja auch nicht gut. Aber wenn die Salami mal im Kühlschrank liegt, das verlockt. Jetzt ist sie alle. Eine neue kaufe ich nicht wieder. Ich werde eine Quarantäne auch ohne Salami überleben.

Desinfektionsmittel habe ich übrigens nicht gehamstert. Für die Hände reicht Seife und von der Desinfektionsflüssigkeit, die ich vor ein paar Jahren für die Desinfektion von Gegenständen gekauft hatte, ist noch ein Rest vorhanden. Der sollte reichen.