Ist Minderheitenschutz nur eine Meinung?: Behörde rügt Antirassismus

Die Hamburger Wirtschaftsbehörde weist die Handelskammer zurecht, weil diese Antisemitismus und Rassismus die Stirn bieten will.

Eine Gruppe junger Menschen von unterschiedlicher Hautfarbe steht in einem Büro

Keiner soll diskriminiert werden – eine allgemeinpolitische Aussage? Foto: westend51/mago

HAMBURG taz | Die Hamburger Handelskammer soll sich nicht gegen Antisemitismus und Rassismus stellen – das hat die Hamburger Wirtschaftsbehörde gefordert. Als Aufsichtsbehörde wies sie die Kammer darauf hin, dass ihr „kein allgemeinpolitisches Mandat“ zustehe. Die Mitglieder des Kammerplenums wehren sich dagegen mit einem Schreiben an Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos): „Wir finden das empörend und fordern Sie unverzüglich zur Klarstellung auf“, heißt es darin.

Am 6. Februar hatte das Plenum in alter Besetzung „mit überwältigender Mehrheit“ dazu aufgerufen, „allen Tendenzen eines neuen, erstarkenden Antisemitismus und Rassismus in Deutschland die Stirn zu bieten“. Die Kammer dürfe es nicht zulassen, dass jüdische oder ausländische Unternehmer oder deren Mitarbeiter in Deutschland diskriminiert würden.

Das Plenum der Handelskammer ist Mitte Februar neu gewählt worden, hat sich aber noch nicht neu konstituiert. Noch hat eine Gruppe die große Mehrheit, die vor drei Jahren angetreten war, die Kammer zu revolutionieren. Von diesen Mitgliedern stammt der aktuelle antirassistische Konsens. Zuvor hatten die Revolutionäre die damalige Kammerführung aber dafür kritisiert, dass sie sich zu sehr in die Politik einmische. Es ging dabei allerdings nicht um demokratische Grundwerte, sondern um konkrete politische Themen wie den Rückkauf der Energienetze durch die Stadt. Die Kammer hatte außerdem gegen das hamburgische Transparenzgesetz Front gemacht.

Im Herbst 2016 hatte ein Kammer-Kritiker überdies ein Urteil erstritten, nach dem sich Kammer-Vertreter mit politischen Äußerungen zurückhalten müssen. Mit Unterstützung des Bundesverbandes für freie Kammern hatte der Immobilienmakler Bernd C. Jakovlev erreicht, dass das Verwaltungsgericht Passagen aus der Silvesteransprache des damaligen Handelskammer-Präses Fritz-Horst Melsheimer für rechtswidrig erklärte.

Gericht: die Kammer muss sich sachlich äußern

Äußerungen der Kammer, in der Unternehmen ja zwangsweise Mitglied sind, müssten einen wirtschaftlichen Bezug haben und von der gebotenen Sachlichkeit sein, urteilten die Richter damals.

Rechtswidrig sei die Warnung vor Political Correctness oder die Forderung nach einem militärischen Engagement Deutschlands gegen Bedrohungen. Nicht zulässig sei es zudem, mehr direkte Demokratie mit Unregierbarkeit in Zusammenhang zu bringen und eine Stärkung der repräsentativen gegenüber der direkten Demokratie zu verlangen. Erlaubt hingegen war die Einschätzung, Hamburgs gescheiterte Olympiabewerbung sei ein Debakel für die Wirtschaft und Hamburg dürfe nun nicht ins Koma fallen.

Die Rechtsabteilung der Behörde bat nun die Kammer, die „dazu bekannte Rechtssprechung“ des Hamburger Oberverwaltungsgerichts (Az. 1 Bs 236/07) sowie des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 10 C 4.15) zu beachten. Das bedeute, dass die Kammer ihren „Kompetenzbereich nach IHKG (Industrie- und Handelskammergesetz) zu wahren“ habe. Diejenige der dort formulierten Aufgaben, die politischer Arbeit am nächsten kommt, besteht darin, „die Behörden durch Vorschläge, Berichte und Gutachten zu beraten“.

„Antisemitismus gefährdet Wirtschaft“

In ihrem Beschluss vom 6. Februar erinnert die Kammer an Frank-Walter Steinmeiers Rede zum 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Au­schwitz. Darin wies der Bundespräsident darauf hin, dass der Antisemitismus in Deutschland nicht überwunden sei, sondern wieder zunehme. „Dieser Rassismus und Antisemitismus gefährdet die demokratische Gesellschaft gleichermaßen wie die deutsche Wirtschaft“, heißt es in dem Beschluss.

Die Kammer sieht in der antirassistischen Haltung keine unerlaubte politische Äußerung: Die Antragsteller Annett Nack-Warenycia und Torsten Teichert werfen der Behörde vor, dass sie den Schutz von Unternehmern und deren Mitarbeitern mit jüdischem oder migrantischem Hintergrund für unerlaubt erkläre, indem sie diesen als „allgemeinpolitisch“ einstufe.

Auch der Kläger Jakovlev hält diese Einstufung für unverständlich: „Das ist eine allgemein-moralische Forderung, die eigentlich von jedem redlichen Menschen geteilt werden müsste“, findet er.

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