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„Ästhetik und Politik verbinden“

Hamburgs Literaturzentrum präsentiert engagierte AutorInnen

Foto: privat

Heidemarie

Ott

Jahrgang 1955, ist langjährige Geschäftsführerin des Hamburger Literaturzen­trums mit Sitz im Literaturhaus.

Interview Petra Schellen

taz: Frau Ott, welches ist das Alleinstellungsmerkmal des Hamburger Literaturzentrums?

Heidemarie Ott: Wir machen ein Angebot für LeserInnen, die Literatur zur Erweiterung ihrer Erfahrungen und Erkenntnisse suchen. Wir legen weniger Wert auf die Vermarktung von Büchern und laden gern AutorInnen ein, die ästhetische Fragen mit politischen Aspekten verknüpfen.

Zum Beispiel mit dem Holocaust.

Ja, Anke Gebert wird dieses Thema am 8. 3. aufgreifen, wenn sie aus ihrem Roman „Wo du nicht bist“ liest. Er handelt von einer Ehe zwischen einem jüdischen Arzt und einer Frau, die während des Dritten Reichs heiraten wollten – was das Nazi-Regime verhinderte.

Und wie steht es um die deutsch-deutsche Geschichte?

Wichtiges Thema! Anne Richter liest am 18. 3. aus ihrem Roman „Unvollkommenheit“ über einst befreundete Menschen. In den 1990ern blieben die einen im Osten, die anderen gingen gen Westen. Als sie ihre Freundschaft wiederbeleben wollen, scheitern sie. Spannend wird auch der Vortrag von Christina Thürmer-Rohr, die am 19. 4. ihre Essays „Fremdheiten und Freundschaften“ als Gast in Jutta Heinrichs „Mobilem Salon“ vorstellt.

Laden Sie auch internationale AutorInnen ein?

Ja. Am 16. 4. liest der türkische Journalist und Autor Baris Ince bei uns im Zuge der „Tage des Exils“. Für sein Buch „Erdbeben“ bekam er einen wichtigen türkischen Preis. Er ist noch bis Ende April Stipendiat der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, da ihm in der Türkei mehrere Strafverfahren drohen. In Hamburg hat er ein Kinderbuch verfasst, aus dem er lesen wird – türkisch mit deutscher Übersetzung.

Auch Boualem Sansal hat es schwer im eigenen Land.

Ja. Den Algerier, der am 23. 4. in Institut Français liest, mit dem wir gern kooperieren, kennen viele als Kritiker des politischen Islam. Der gelernte Ingenieur und Ökonom wurde zwar aus dem Industrieministerium entlassen, lebt aber noch in Algerien und schreibt über die traumatische Situation der französischen Ex-Kolonie. Für seinen Roman „Das Dorf des Deutschen“ bekam er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Jetzt liest er aus seinem neuen Buch „Der Zug nach Erlingen oder die Verwandlung Gottes“. Darin wehren sich die – erstmals weiblichen – Hauptfiguren gegen den Verfall von Demokratie und den religiösen Extremismus.

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