Hajo Schiff
Hamburger Kunsträume
: Aber nicht küssen!

Besondere Bilder können sich erfolgreich viral verbreiten, bei Krankheitskeimen dagegen ist Vorsicht geboten. Doch wenn auf das szenetypische Küsschengeben verzichtet wird, gibt es kaum einen Grund, Kunstvernissagen zu meiden. Am Samstagabend also wieder bei Feinkunst Krüger in den Kohlhöfen, diesmal mit dem Hamburger Eiko Borcherding, dem Berliner Olaf Hajek und dem Dresdner Andrey Klassen: Figürlich und zeichnungsbasiert entführen diese Künstler in ihre fremdartigen Bildwelten. „Dark Patterns“ ist das Motto, der Name jener Antimuster, die die Nutzer virtueller Welten zu Aktionen verleiten sollen, die sie eigentlich gar nicht wünschen. Wieder greift also etwas unbestimmt Eigenartiges ungebeten auf die noch nach draußen Gehenden zu.

In frischer Umgebung am schönen Ort erzählt am Sonntag dann Anneke Kleimann, was es mit ihrer „Landschaft aus skulpturalen Zeitkörpern“ auf sich hat: Die in attraktiven Formen edel gearbeiteten Plastiken materialisieren einigermaßen komplexe Konzepte. Das Künstlergespräch mit gebürtigen Oldenburgerin findet um 15 Uhr zur Finissage ihrer Ausstellung in der Wassermühle Trittau statt.

Wäre das mehr ein ländlicher Ausflug, geht es am gleichen Abend im urbanen Gängeviertel um schwereren Stoff: „Sexed Power“ ist ein Projekt, das sich nun schon zum dritten Mal die Forderungen feministischer Aktivistinnen auf die Fahnen schreibt. Acht Hamburger Künstlerinnen widmen sich diesmal mit aktuellen Arbeiten dem Thema Körper und Wahrheit. Es geht um politische und soziale Bestimmungen über die Körperlichkeit, die die Kunst schwer auflösen, aber durchaus aufzeigen kann. Waren in den früheren Ausstellungen als historische Bezüge die Guerilla Girls oder Martha Rosler zitiert, ist es diesmal die Pionierin der feministischen Aktionskunst Valie Export. Ab 18 Uhr geht es im Mom Art Space (Valentinskamp) los, Belinda Grace Gardner hält die Einführung, und die Musikerin, Film- und Musikproduzentin, Malerin und Autorin Tintin Patrone performt.

Eine weite Öffentlichkeit mit politischen Ideen zu infizieren ist auch das Ziel des „Anfachen Awards“. Seit 2016 werden großformatige Plakate internationaler Künstler*innen öffentlich gezeigt. Für das diesjährige Thema „Wasser“ wurden 618 Entwürfe aus 35 Ländern eingereicht. Bevor die Sieger ab Mitte April in Hamburgs Straßen zu sehen sind, werden Arbeiten der Jurymitglieder dieses und das nächste Wochenende in der Galerie des Frappant e.V. vorgestellt: Gestaltungen von Christof Gassner aus Deutschland, von Annette Lucas, Gründerin der Pariser Agentur Atalante, von Rebecca Metz (D/CH), von Elsebeth Aasted Schanz, der Direktorin des Dänischen Plakatmuseums, von Ralph Schraivogel aus der Schweiz, von Altmeister Klaus Staeck und von Roul Fiedler für Viva con Agua – eine illustre Versammlung politischer Plakatkunst.