Krieg der Sterne

Der Hongkonger Demokratieaktivist Joshua Wong hat ein autobiografisches Manifest vorgelegt

Joshua Wong: „Unfree Speech“.

Übers. von Gabler und Picher, S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2020, 208 Seiten, 16 Euro

Von Sven Hansen

Er gehört in die Reihe politischer Jungstars wie die Bildungsaktivistin Malala Yousufzai und die Klimaaktivistin Greta Thunberg: der Hongkonger Demokratieaktivist Joshua Wong. Wie die beiden Frauen hat er schon als Teenager die Politik der Erwachsenen in Aufruhr versetzt und Gleichaltrige zu Einmischung ermuntert. Und wie die anderen beiden, die Bücher mit Hilfe ihres Umfeldes oder professioneller Journalisten veröffentlichten, legt auch Wong jetzt zusammen mit seinem Freund und Co-Autor Jason Y. Ng ein mit Buch mit stark autobiografischen Zügen vor.

Wongs „Unfree Speech“ beeinhaltet Jugenderinnerungen, ein Gefängnistagebuch und ein politisches Manifest und ist sicher kein Meisterwerk. Gleichwohl lohnt es zu lesen, um nachzuvollziehen, wie sich ein nach seinen eigenen Worten „recht durchschnittliches Kind“, das sich zum „jungen Mann ohne Freundin, der sich lieber mit seinen Videospielen und Gadgets beschäftigt“, zum „ersten politischen Gefangenen“ der südchinesischen Sonderzone Hongkong entwickelt. Wong, der kurz vor Hongkongs Rückgabe an China geboren wurde, ist erst unter der chinesischen Hoheit sozialisiert worden und hat keine Erinnerungen an die britische Kolonialzeit.

Wong war 2014 Wortführer der Regenschirmbewegung, ist für Peking ein rotes Tuch und agiert gern als Sprachrohr der Hongkonger Demokratiewegung. Der gläubige Lutheraner stellt sich zwar meist bescheiden dar, greift aber auch immer wieder zu Übertreibungen und Superlativen. Vor allem nerven sein oft pathetischer Ton und das religiöse Sendungsbewusstsein. Die Haft nahm er allzu gern auf sich („Politische Haft ist ein unvermeidlicher Schritt auf dem Weg zur Demokratie“). Wong saß inzwischen mehrfach wegen Ordnungswidrigkeiten in Hongkonger Gefängnissen, die keine Arbeits- oder Umerziehungslager mit Fällen von Folter und Organentnahme wie in der Volksrepublik sind.

Für Wang geht es um Selbstbestimmung und die Verteidigung der speziellen Hongkonger Identität. Demokratie, deren angestrebte Form er nicht näher definiert, ist ihm Allheilmittel aller politischen Probleme. Man möchte ihm oft sogar zustimmen, würde er die Realitäten in westlichen Demokratien nicht so unkritisch ausblenden. Dabei nennt er am Ende selbst kurz das Erstarken rechtsextremer Kräfte und des Populismus, ohne zu erwähnen, dass die von ihm verklärten USA gerade stark unter Letzterem leiden. Hongkongs unbeliebte Regierungschefin Carrie Lam vergleicht Wong mit Darth Vader, dem Bösewicht aus Star Wars. Internationale Politik reduziert er auf die Formel „eine Welt, zwei Reiche“. China und die USA kämpften in einem neuen Kalten Krieg um die Vorherrschaft. Darin sei „Hongkong die erste Verteidigungslinie“ der freien Welt. Es gehe darum, Chinas autoritärer Herrschaft entgegenzutreten. In einer Art Dominotheorie behauptet er: „Wenn Hongkong fällt, könnte die freie Welt als Nächstes fallen.“

Ob Wong, der sich in Washington persönlich für den China mit Sanktionen bedrohenden „Hong Kong Human Rights and Democracy Act“ einsetzte, Zweifel an der Weisheit westlicher Außenpolitik hat, ist nicht bekannt. Der Gedanke, dass Hongkong von US-Präsident Trump in dessen Ringen mit China schlicht instrumentalisiert werden könnte, kommt ihm nicht. Dabei haben die syrischen Kurden, die einst von Washington als Bodentruppe gegen den IS genutzt wurden, gerade eine ähnliche Erfahrung gemacht, als sie von den USA von einem Tag auf den anderen fallen gelassen wurden.