Präsidentenwahl in Afghanistan: Bald drei Regierungen?

Der hauchdünne Sieg von Muhammad Aschraf Ghani schürt innenpolitischen Zwist. Und er gefährdet die bevorstehenden Friedensgespräche.

Der afghanische Präsident Aschraf Ghani vor blauem Hintergrund.

Mit denkbar knappem Vorsprung gewählt: Afghanistans Präsident Muhammad Aschraf Ghani Foto: Rahmat Gul/AP/dpa

KABUL taz | Die Sonne war schon hinter den Bergen versunken und viele Kabuler im Feierabend, als am Dienstagabend Afghanistans Wahlkommission einem fast fünfmonatigen Auszählungsmarathon ein Ende setzte und Amtsinhaber Muhammad Aschraf Ghani zum Gewinner der Präsidentenwahl vom September erklärte.

Es folgten einige Autokorsos, etwas Feuerwerk und Männer ballerten mit Handfeuerwaffen in die Luft. Führende Regierungsvertreter gratulierten einander in den sozialen Medien zum Sieg, Ghani ließ in einer Rede die islamische Republik hoch leben.

Dass Ghani sich am Mittwoch nicht zur Feier im Festzelt beim Kabuler Polytechnischen Institut einfand, war ein Zeichen, dass die Wahl noch nicht zu Ende ist. Auch die meisten Ex-Warlords, die sich auf die Seite seines Hauptwidersachers Abdullah Abdullah geschlagen hatten, fehlten.

Zu knapp ist Ghanis Sieg, und umstritten, wie er zustande kam. Mit nur 0,64 Prozent überwand er die 50-Pozent-Marke, was ihm einen zweiten Wahlgang und den Afghanen weitere Monate Wahlstress erspart. Den Ausschlag gab, dass die Wahlkommission zirka 300.000 umstrittene Stimmen nach einem Audit für gültig erklärte. Ghanis Anteil liegt unter einer Million, bei einer Beteiligung von knapp 18 Prozent bei 9,7 Millionen Wahlberechtigten.

Hochverrat und Putsch

Die Opposition sprach von Hochverrat und Putsch. Abdullah, bisher Ghanis ungeliebter Partner in einer Nationalen Einheitsregierung, erklärte sich ebenfalls zum Sieger und kündigte eine „Parallelregierung“ an.

Einer seiner Hauptverbündeten, Warlord Abdul Raschid Dostum – offiziell noch Ghanis Vizepräsident –, drohte indirekt mit einer zeitweiligen Abspaltung des Nordens. So läuft das Land Gefahr, demnächst drei Regierungen zu haben, denn es gibt auch noch die Paralleladministration der Taliban.

Mit ihnen sollen in der ersten Märzhälfte Friedensverhandlungen beginnen, sollten die USA und die Taliban eine siebentägige Quasi-Waffenruhe verkünden. Damit wird jeden Tag gerechnet. Dies gilt als Test, ob die Aufständischen ihre Feldkommandeure im Griff haben, um Ende Februar ein Truppenabzugsabkommen mit Washington zu unterschreiben. Dieses soll die Tür für innerafghanische Friedensgespräche öffnen, in die Ghani trotz Wahlsieges geschwächt gehen wird.

Falls es überhaupt dazu kommt. In den letzten Wochen verschärfte sich der Ton zwischen Ghani und den Taliban. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz forderte der Präsident sie auf, sich in den Dörfern als „Hundefänger“ zur Wahl zu stellen. Die Taliban wiesen das mit Hohn über die Wahlen zurück, bei denen niemand wisse, „was vorn und hinten ist“.

Zudem hat Ghani keine Delegation für die Gespräche benannt – für Abdullah und andere Ghani-Gegner der Versuch, sich nach der Wahl als demokratisch legitimierter Alleinvertreter zu positionieren. Ghani könnte seine innenpolitischen Gegner in die Arme der Taliban treiben und bei einer Machtteilung ausgebootet werden.

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