Kriegerdenkmal in Biesdorf: Wende um 180 Grad

Ein SPD-Antrag für die Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag fordert „Mahnmale statt Denkmale – keine Kriegsdenkmale in Marzahn-Hellersdorf“.

Ein Denkmal für gefallene Soldaten im Ersten Weltkrieg auf einem Kirchengrundstück in Berlin-Biesdorf

Das umstrittene Kriegerdenkmal auf dem Grundstück der Kirchengemeinde in Biesdorf Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Die SPD im Bezirk Marzahn-Hellersdorf vollzieht gerade eine Wende um 180 Grad – zumindest was den Umgang mit den architektonischen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg in ihrem Bezirk angeht. Für die Bezirksverordnetenversammlung – kurz BVV – am Donnerstag hat sie den Antrag „Mahnmale statt Denkmale – keine Kriegsdenkmale in Marzahn-Hellersdorf“ gestellt.

Nach dem Willen der SPD sollen Denkmale für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs in Mahnmale gegen Krieg, Vertreibung und Völkermord umgewandelt werden. Jedem dieser Denkmale soll eine Schautafel an die Seite gestellt werden „zur kritischen Einordnung in den historischen Kontext“, die „gegen kriegsverherrlichende Heldendenkmale“ argumentiert.

Noch letzten Herbst hatte die SPD gemeinsam mit AfD und CDU in der BVV einen Beschluss gefasst, dem zufolge ein Denkmal für die gefallenen Weltkriegssoldaten in Biesdorf, an dem rechte Kräfte und die Bezirks-AfD regelmäßig Heldengedenken zelebrieren, unter Denkmalschutz gestellt werden und historisch originalgetreu saniert werden soll.

Originalgetreu heißt: Auf die Spitze des Obelisken soll ein preußischer Adler zurückkehren, der als Symbol der Weltherrschaft eine Erdkugel umkrallt. Der war in den 1970er verloren gegangen. Eine Umsetzung des Beschlusses scheiterte lediglich am ­Widerstand der Evangelischen Kirchengemeinde Biesdorf, der das Denkmal gehört und die einen Heldengedenkort strikt ablehnt.

Kritische Auseinandersetzung

Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf gibt es fünf Kriegerdenkmale. Vier stehen auf Kirchengrund in Alt-Marzahn, Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf und das fünfte auf einem städtischen Friedhof. Kaum ein Denkmal befindet sich noch im historischen Originalzustand.

Nach einer Studie des früheren linken Abgeordneten Wolfgang Brauer wurde beispielsweise das Denkmal in Alt-Marzahn in der NS-Zeit durch Adler und Eisernes Kreuz ergänzt. Von dem Denkmal in Kaulsdorf hingegen wurden ein Soldat mit eisernem Blick, Stahlhelm und ­Handgranate, der das Denkmal in der NS-Zeit für Aufmärsche attraktiv machte, nach 1945 entfernt und 1951 von der Kirchengemeinde als Buntmetall abgeliefert. Übrig blieben ein schlichtes Kreuz und Granitplatten mit den Namen der Gefallenen.

Inschriften wie „unbesiegt und unvergessen“ weisen auf die Identifikation der Denkmalinitiatoren mit der Dolchstoßlegende hin. Diese in völkischen Kreisen in der Weimarer Repu­blik populäre Theorie behauptet, das deutsche Heer sei im Ersten Weltkrieg „im Felde“ unbesiegt. Erst durch „vaterlandslose“ Zivilisten aus der Heimat, durch Sozialdemokraten, Kommunisten und das „internationale Judentum“ hätte es einen „Dolchstoß von hinten“ bekommen.

Die SPD sieht ihren Antrag als einen Beitrag zur Erinnerungskultur. Beispiele kritischer Auseinandersetzung mit Weltkriegsdenkmalen gebe es bereits in Hamburg und Münster. „Für uns ist es wichtig, dass nicht die BVV allein darüber entscheidet, sondern die Bevölkerung und Akteure aus Kultur und Gesellschaft beteiligt werden“, sagt Fraktionsvorsitzende Jennifer Hübner der taz. Natürlich auch die Kirchen, denen die meisten Denkmale gehören.

Hübner rechnet mit Widerstand der AfD, die für eine andere Erinnerungskultur stehe und bestehende Kriegerdenkmale für „eigene Gedenkveranstaltungen mit völkischem und nationalistischem Profil“ nutzen.

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