Atomkraftwerk Fessenheim: Der dritte Sekt muss warten

Am Samstag geht der erste Block des ältesten AKW Europas vom Netz. Für Atomkraftgegner ein Grund zur Freude, aber nicht das Ende des Kampfes.

Das Französische Atomkraftwerk Fessenheim mit Schwänen im Vordergrund.

Immer noch am Rhein, aber bald ohne Strom: Fessenheim Foto: Bernd Lauter/Coverspot/imago

FESSENHEIM taz | Es fehlt die charakteristische Kuppel und der Kühlturm, eigentlich sieht das Kernkraftwerk Fessenheim aus wie eine x-beliebige Industrieanlage. Nur der Rhein und eine langgezogene bewaldete Insel trennen den Atommeiler am französischen Ufer von der deutschen Seite. Aber die befürchtete Strahlung bei einer möglichen Havarie kennt keine Grenzen.

Nach 43 Jahren Laufzeit soll der erste Block des ältesten Kernkraftwerk Europas am Samstag stillgelegt werden. Fessenheim ist der Reaktor mit den niedrigsten Sicherheitsstandards und einer Vielzahl von Störfällen. Allein zwischen 1989 und 2008 kam es zu über 200 leichten und schwereren Zwischenfällen. 2010 wurden radioaktive Gase freigesetzt, 2014 kam es nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung zu einer Notabschaltung. „Die Sicherheitsstandards der European Nuclear Safety Regulation Group hat Fessenheim nie eingehalten“, sagt Sylvia Kotting-Uhl, Grünen-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Umweltaususschusses.

Eigentlich hatte schon 2012 der französische Präsident Francois Hollande angekündigt, den Problemreaktor still zu legen. Das Versprechen wurde gebrochen. Das jetzige Ende von Fessenheim ist Teil einer Strategie von Emanuel Macron, Frankreichs Abhängigkeit von der Atomkraft zu verringern.

Zu diesem Schwenk in der Atompolitik dürften auch die massiven Probleme des dritten Druckwasserreaktors in Flamanville in der Bretagne beigetragen haben, dessen Bau sich nun schon seit 2007 hinzieht. Er soll jetzt frühestens 2023 ans Netz gehen und über 12 Milliarden Euro kosten. Langfristig möchte Macron 14 der 58 Reaktorblöcke in Frankreich abschalten – allerdings nach Fessenheim keinen weiteren während seiner Amtszeit. So soll der Anteil des französischen Atomstroms von 75 auf 50 Prozent zu reduziert werden.

Die Erleichterung über das Ende von Fessenheim ist auf deutscher Seite fast einhellig. Städte wie Freiburg mussten Evakuierungspläne für den Fall einer Havarie haben. Immerhin ist die Oberrhein-Region ein Erdbebengebiet. Das Fest der trinationalen Protestbewegung aus Deutschen, Schweizern und Franzosen, die den Reaktor seit dem Bau begleitet hat, findet trotzdem erst eine Woche später statt.

„Wir wollen nicht feiern, bevor wir nicht sicher sind, dass der erste Block des Kernkraftwerks stillgelegt ist“, sagt Dora Pfeifer-Suger, Sprecherin des Aktionsbündnis „Fessenheim stilllegen jetzt“. Mit der Abschaltung ist die Gefahr einer Kernschmelze nach Einschätzung von Experten gebannt. Doch der Rückbau der gesamten Anlage wird wohl 20 Jahre dauern. „Auch das werden wir weiter kritisch beobachten“, sagt Axel Meyer, einer der Veteranen des Widerstands. „Es darf kein Billigabriss werden.“

Um den wirtschaftlichen Verlust für die Region zu kompensieren, ist in Fessenheim ein Gewerbepark geplant, an dem sich schon einige Gemeinden auf der deutschen Seite finanziell beteiligt haben. Das Land Baden-Württemberg verhandelt mit Frankreich darüber, eine stillgelegte Bahnlinie zwischen Colmar und Freiburg zu reaktivieren, damit die Grenzregion näher zusammenrückt.

Schon gegen Whyl gekämpft

Für Axel Meyer, der bis zu seiner Pensionierung vor wenigen Monaten Geschäftsführer des BUND südlicher Oberrhein war, geht damit ein 43-jähriger Kampf zu Ende. Er war schon als junger Mann bei den Bauplatzbesetzungen gegen das geplante Atomkraftwerk Whyl mit dabei. Whyl wurde nie gebaut. Die Abschaltung von Fessenheim jetzt sieht Meyer auch als Erfolg, ohne aber euphorisch zu sein.

In einer Pressemitteilung empfahl Meyer drei Flachen Sekt auf das Ende von Fessenheim zu köpfen: Die erste im Juni, wenn das AKW endgültig vom Netz geht, die zweite wenn auch die Brennelemente aus dem Zwischenlager abtransportiert werden und die dritte wenn der Atommüll von Fessenheim wirklich nicht mehr strahlt – in etwa einer Million Jahre.

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