Herbsttagung endet mit schweren Ausschreitungen

WELTWIRTSCHAFT Polizei nimmt 120 Demonstranten fest. Reformen des IWF und der Weltbank gefordert

ISTANBUL taz | Auch zum Abschluss des Kongresses des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank hat es am Mittwoch in Istanbul schwere Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und einigen militanten linken Gruppen gegeben. Während Gewerkschaftsgruppen erneut versuchten, friedlich gegen die Politik des IWF zu demonstrieren, setzten sich einige Vermummte von der Demonstration ab und warfen Steine und Molotowcoktails auf Bankfilialen, Autos und Häuser. Während Ministerpräsident Tayyip Erdogan die schweren Ausschreitungen scharf verurteilte, gleichzeitig aber behauptete, jedermann könne friedlich mit einem Megafon in der Hand seinen Protest zum Ausdruck bringen, fegten die Wasserwerfer der Polizei zur selben Zeit friedlich Demonstrierende von der Straße.

An beiden Tagen zusammen nahm die Polizei mehr als 120 Demonstranten fest, viele von ihnen müssen mit schweren Strafen rechnen. Ein Anwohner, der am Dienstagnachmittag aufgrund der Auseinandersetzungen einen Herzinfarkt erlitt, starb auch deswegen, weil das Taxi, mit dem er zum Krankenhaus gebracht werden sollte, immer wieder von der Polizei aufgehalten worden war. Unterdessen forderte der Vorsitzende der Plenarveranstaltung, der vietnamesische Zentralbankchef Nyugen van Giau, zum Abschluss, IWF und Weltbank müssten sich reformieren und die Weltwirtschaft besser überwacht werden.

Der Chef der Weltbank, Robert Zoellick, warnte vor einem finanziellen Engpass bei der Unterstützung armer Länder im kommenden Jahr und forderte eine Aufstockung der Mittel seiner Behörde. Er berichtete, dass bereits jetzt knapp 100 Millionen Menschen weltweit durch die Krise zusätzlich in die Armut gedrängt worden seien und sich ohne weitere Hilfen Unruhen und Kriege ausbreiten könnten.

Die Delegierten einigten sich konkret darauf, dass die Weltbank zukünftig ihre Stimmrechte so umverteilen will, dass die armen Länder 3 Prozent mehr bekommen und dann insgesamt 47 Prozent der Gesamtstimmen repräsentieren würden. Bei der wichtigeren Stimmrechtsverteilung im IWF, durch die auch die neue Gewichtung innerhalb der Weltwirtschaft zum Ausdruck kommen soll, will das Lenkungsgremium der Institution bis zum Frühjahr 2011 insgesamt 5 Prozent der Stimmen von den europäischen Ländern und den USA abziehen und den Schwellenländern zuschlagen.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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