Alles blinkt so bunt

„Young dogs do cry sometimes“, die neue Produktion des Choreografen Samir Akika im Theater am Goetheplatz, ist vor allem ein großes Happening

Voll ist’s bei „Young dogs do cry sometimes“ – und sehr, sehr bunt Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Von Jan Zier

Du kommst rein und bist schon mittendrin. Im Foyer des Kleinen Hauses, wo die geneigten Besucher*innen des Stadttheaters sonst erst mal bei einem Glas Wein gepflegt Konversation machen, ehe es losgeht, dort also hat alles schon angefangen. Irgendwie. Im Schaufenster zum Hof haben sie ein riesiges Kuscheltierparadies eingerichtet, in dem nun Kinder toben. Ein Abteil weiter, hinter einem durchsichtigen Vorhang, liegt Streu am Boden, ein bisschen wie im Zirkus. Ein Bassist liegt am Boden und musiziert, in der Ecke spielt einer Trompete, die Tänzerin bewegt sich im Halbdunkel, und gefilmt wird auch noch alles.

Die Zuschauer*innen verweilen einen Moment, eh sie weiterziehen, hinüber zu dem Kiosk beispielsweise, mit allen seinen bunten Lichtern dran. Einen Moment später setzt ein Kinderchor ein, während ein Mann mit einer Schweinemaske vorbeiläuft und manch einer noch schnell aufs Handy guckt, ehe es drüben auf der Leinwand schon weitergeht: Eine junge Frau singt dort „I wish I could be like the cool kid“. Und so weiter. An diesen Abend passiert vieles gleichzeitig, ohne dass es eine echte Reihenfolge oder gar einen Zusammenhang gäbe. Jeder kann sich frei in dieser Inszenierung bewegen und verpasst dabei auch immer irgendwo etwas. Das soll so.

„Szenischen Einlass“ nennen sie das, und es gehört alles zu „Young dogs do cry sometimes“, der neuen Arbeit des Choreografen Samir Akika und seines Ensembles „Unusual Symptoms“. Wer jetzt Tanztheater erwartet, wird vielleicht enttäuscht, weswegen das Ganze auch gleich als „Performance-Konzert“ gelabelt worden ist. Im Grunde ist es vor allem ein großes Spektakel.

Das liegt unter anderem daran, dass neben den zehn Profi-Tänzer*innen auch 24 Junge Akteur*innen am Werke sind, und dann noch mal zwei Bands – drei Gastmusiker, aus verschiedenen Städten, dazu vier Jugendliche, die mit „Shelter“ ihre eigene Band gegründet haben und nebenbei gerade Abi machen.

Akika nimmt den künstlerischen Nachwuchs sehr ernst und begegnet ihm auf Augenhöhe. Hier agieren keine Jugendlichen, die mal bei den Großen mitspielen dürfen, um sich hinterher ein paternalistisches „Das hast du fein gemacht, Kind“ abzuholen. Hier besetzen Menschen gemeinsam einen Ort, und das Publikum kommt eben mit. Und zwar wie und wo es will: Die übliche Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum ist aufgehoben.

Alles passiert überall, alles ist bunt, laut und blinkt, und nie weiß man, wann man wo warum zuerst hingucken soll. Dabei riskiert das Stück, sein Publikum unterwegs auch mal zu verlieren. Es ist die bewusste Überforderung, die natürlich ein Spiegel der Gesellschaft ist, der Welt, in der diese jungen Akteur*innen groß werden. Zugleich ist es hier auch ein bisschen wie auf diesen Partys, die Jugendliche feiern, wenn sie das erste Mal auswärts übernachten dürfen, ohne Eltern. Sie haben viel Energie, um ihre Freiheit bis zum Exzess auszuleben. Und zwar drei Stunden lang.

Jeder kann sich frei im Stück bewegen und verpasst dabei immer irgendwo etwas. Das soll so

„Young dogs do cry sometimes“ erzählt dabei keine Geschichte, sondern reiht Assoziationen aneinander, gespeist aus den Geschichten der Performer*innen. Es geht ihnen mehr um die Suche nach der eigenen Identität als um ihre Ergebnisse, mehr um den Prozess als um das Ziel. Weswegen das Stück keine echte Botschaft hat, wie auch Akika selbst sagt. Und wenn doch, dann ist es vor allem ein Appell, auf die eigene Kreativität zu vertrauen, sich Raum für die eigenen Ideen zu nehmen und nun: einfach Spaß zu haben. Tanz ist dabei immer nur ein Mittel unter vielen.

Choreografisch knüpft Akika, der zuletzt durch biografische Doppelportraits wie „Bravehearts“ aufgefallen war, an frühere Arbeiten an, „Polaroids“ etwa. Auch seine Liebe zum Filmischen klingt an, ohne dass es so explizit wäre wie etwa in „Einer flog über das Kuckucksnest“.

Dass das Ganze nicht nur ein wenig anarchisch und herrlich wild, sondern auch etwas schrill und überdreht ist, dass es auch kürzer, fokussierter hätte sein dürfen: Nun, das liegt eben in der Natur des Spektakels.

Wieder am 18. 3,., 19 Uhr, Theater Bremen, Kleines Haus