Corona-Virus in der Ukraine: Ukrainer meiden China-Rückkehrer

Aus Angst vor dem Coronavirus kam es vielerorts zu Protesten gegen Quarantänestationen. Präsident Selenski fordert mehr Empathie.

Passagiere in einem bus mit schutzmasken

Aus China eingeflogene Passagiere in Kharkiv, Ukraine Foto: Gelb Garanich/reuters

KIEW taz | Um 11.50 Uhr landete am gestrigen Donnerstag die Boeing der Fluggesellschaft SkyUp auf dem Flughafen der ostukrainischen Metropole Charkiw. An Bord der in der chinesischen Provinz Hubei gestarteten Maschine befanden sich 45 ukrainische Staatsbürger, 27 Bürger anderer Staaten und 22 Flugbegleiter.

Damit ist die Evakuierung ukrainischer Staatsbürger aus dem Epizentrum der Corona-Epidemie abgeschlossen. Alle Fluggäste und das Begleitpersonal sollen nun im medizinischen Zentrum der Nationalgarde in Nowy Sanschary unweit der Stadt Poltawa in einer 14-tägigen Quarantäne vollständig von der Umwelt abgeschottet werden.

Die Freude über die Heimkehrer hält sich in Grenzen. Anstatt der Verabreichung von Brot und Salz, der traditionellen Begrüßungszeremonie von aus der Ferne Angereisten, wurden die Busse der Heimkehrer mit Steinen und brennenden Barrikaden begrüßt. Die Bevölkerung möchte keine Corona-Verdachtsfälle in dem im Dorfzentrum gelegenen medizinischen Zentrum.

Neun Polizisten wurden bei Auseinandersetzungen mit den Protestieren verletzt. In einem Bus soll ein Fenster durch einen Stein zersplittert worden sein. Inzwischen patroulliert die ukrainische Nationalgarde das Dorf, bewacht das medizinische Zentrum rund um die Uhr.

Wolodimir Selenski

„Mit Blockaden von Krankenhäusern zeigen wir uns nicht von unserer besten Seite“

Aufgeregt öffnet der Kiewer Sprachenlehrer Olexandr sein Smartphone und zeigt Fotos von den Protesten aus Nowi Sanschary. „Hat mir mein Vater soeben geschickt,“ sagt er und ereifert sich: „Direkt in meiner Nachbarschaft sollen Infizierte leben. Die sollen ihre Quarantäne in einem anderen Ort machen.“

Im Städtchen Vinniki im Gebiet Lwiw protestierten bereits am Mittwoch Hunderte gegen eine mögliche Quarantäne. Bürgermeister Wolodimir Kwurt versicherte den Demonstrierenden, dass es keine Quarantäne in seinem Ort geben werde. Auch im Gebiet Ternopil, so der ukrainische Service von BBC, seien 300 Menschen gegen eine Quarantäne auf die Straße gegangen, darunter der Bürgermeister. Der Direktor des örtlichen Sanatoriums „Medobory“, Wasilij Martynjuk, erklärte, sein Sanatorium werde keine China-Rückkehrer aufnehmen. Die Belegschaft habe angekündigt, in diesem Fall nicht zum Dienst zu erscheinen. Auch im Örtchen Mikulinizy bauten wütende Bürger Straßensperren auf, um die Anreise von China-Rückkehrern zu verhindern.

Nachdem bekannt wurde, dass die Heimkehrer im Gebiet Poltawa untergebracht werden, sind die Proteste in den anderen Regionen der Ukraine aber abgeklungen.

Präsident Volodimir Selenski verurteilt die Proteste. „Es besteht eine weitere Gefahr,“ warnte er. „Die Gefahr, dass wir alle vergessen, dass wir Menschen sind, dass wir Ukrainer sind. Jeder von uns, auch die, die während der Epidemie in Wuhan waren.“ In Frankreich oder Kasachstan habe es keine Proteste gegen China-Rückkehrer gegeben. „Mit dem Versuch, Straßen und Krankenhäuser zu blockieren, zeigen wir uns nicht von unserer besten Charakterseite.“ so Selenski.

Und der Gewerkschaftsaktivist Wolodimir Chemeris sieht in den Protesten einen „Rückfall ins Mittelalter“, der seine Ursache auch in der seit Jahren zunehmenden Verrohung der Sprache und Propaganda habe.

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