Linken-Politiker über Cum-Ex-Affäre: „43 Millionen sind keine Peanuts“

Der Linke Norbert Hackbusch fordert einen Untersuchungsausschuss zur Frage, warum Hamburg so lax mit Cum-Ex-Schulden der Warburg-Bank umging.

Über einem Hauseingang ist der der Name Warburg eingraviert

Fand nach Cum-Ex-Geschäften ein offenes Ohr beim früheren Bürgermeister: die private Warburg-Bank Foto: Axel Heimken/dpa

taz: Herr Hackbusch, hat der Hamburger Senat Sie belogen?

Norbert Hackbusch: Es scheint so. Der Senat hat mir als Abgeordnetem im vorigen November auf eine Kleine Anfrage geantwortet, dass es in den Jahren 2016, 2017 und 2018 kein Treffen zwischen dem Senat und der Warburg-Bank im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften gab. Inzwischen hat Bankinhaber Christian Olearius selbst ein Tagebucheintrag-Faksimile veröffentlicht, in dem er von einem Treffen mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz im November 2017 berichtet. Dort wird dargestellt, dass man auch über die Belange der Warburg-Bank im Kontext mit Cum-Ex geredet hat.

Nun kontert die Finanzbehörde, sie habe nicht gelogen. Denn Ihre Frage habe sich auf das Steuerverfahren bezogen, nicht auf allgemeine Treffen mit Scholz.

Wir haben keine Information von Herrn Scholz oder von der Senatsverwaltung, sondern nur von Herrn Olearius. Und der schrieb: „Dann berichte ich vom Sachstand bei Finanzbehörde, Staatsanwaltschaft. Ich meine sein zurückhaltendes Verhalten so auslegen zu können, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen.“ Da geht es eindeutig um Cum-Ex. Und dann geht es weiter: „Die Deutsche Bank wurde nicht geschont. Meine Interpretation, auf uns abzulenken, sei wahrscheinlich.“ Und dann kommt sogar der Satz: „Das Spiegel-Gespräch sollte ich führen, mich aber maßvoll äußern.“ Das sind lauter Zitate und lauter Hinweise auf das Cum-Ex-Geschäft.

Was heißt Spiegel-Gespräch?

Das wollen wir auch wissen. Das zweite ist: In dieser Zeit ging es um die nächste Tranche, um die nächsten 43 Millionen, die als Rückforderung an die Warburg-Bank aus den Cum-Ex-Geschäften zu stellen wären und zu verjähren drohten. Da treffen sich Herr Scholz und Herr Olearius. 43 Millionen sind sowohl für die Stadt wichtig als auch für Warburg keine Peanuts.

65, Dokumentar, ist seit 2008 haushaltspolitischer Sprecher der Hamburger Linksfraktion und steht am Sonntag erneut zur Wahl.

Nun berichten einige Zeitungen, die Vorwürfe seien aufgebauscht und fielen immer mehr in sich zusammen. Das Abendblatt fragt, wie denn ein Treffen von 2017 Einfluss auf eine Entscheidung von 2016 gehabt haben soll. Das Jahr, in dem die Rückforderung der Stadt von 47 Millionen Euro verjährte.

Mein Vorwurf ist ja eben, dass 2017 die zweite Tranche zum Ende des Jahres zu verjähren drohte, nachdem 47 Millionen 2016 verjährt waren. Die 43 Millionen Euro sind nur deshalb nicht verjährt, weil das Finanzministerium in Berlin Hamburg anwies, sie von Warburg einzufordern.

Aber auch das ist strittig. Es heißt, auch die Hamburger Finanzverwaltung selbst hätte entschieden, das nicht verjähren zu lassen.

Das schreibt die Zeit, dass sie dafür Unterlagen hat, dass Berlin das angewiesen hat. Das Bonner Gerichtsverfahren zu Cum-Ex untersucht ja unter anderem diese Fragen. Dem entsprechend gehe ich davon aus, dass es stimmt.

Dann könnte es in besagtem Gespräch darum gegangen sein, dass das Geld nicht zurückgefordert wird, und das Bundesministerium schob dem einen Riegel vor?

Genau. Ich vermute, Scholz und Olearius werden nicht darüber gesprochen haben, wie jetzt die Finanzverwaltung ein solches ­Schreiben macht. So was macht man ja nicht. Aber für Olearius war wichtig: Ist Scholz dieser Auffassung? Und das wichtige ist ja: Wird Berlin dem auch zustimmen? Und am 4. Dezember hat er dann festgestellt, nach den Unterlagen des Zeit-Artikels: Gegen den Willen Hamburgs hatte das Bundesfinanzministerium eine Anweisung erlassen.

Nun soll Olearius im Tagebuch nur festgehalten haben, dass Scholz zurückhaltend reagierte. Daraus schloss er, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Laut Abendblatt entlastet das Scholz.

Na, na. Olearius schlussfolgert aufgrund Scholz’ zurückhaltenden Verhaltens, er müsse sich keine Gedanken machen. Herr Scholz hat nun mal eine zurückhaltende Art. Ich bin mir da nicht so sicher, was daran entlastend sein soll. Es ist nicht so zugespitzt, dass Scholz wörtlich gesagt hätte: „Sie müssen sich keine Sorgen machen.“ Olearius hat das nur geschlussfolgert. Und sein Eintrag vom 4. Dezember bestätigt das noch.

Es ist kein direktes Zitat.

Das hatte auch Die Zeit nicht behauptet. Liest man nur dieses Zitat, ist es zugespitzter als der Tagebucheintrag. Das würde ich auch sagen. Aber schwerwiegender ist ja, dass man durch den restlichen Eintrag mitbekommt, dass Herr Scholz und Herr Olearius doch länger über das Thema gesprochen haben. Die Aussage, dass es bei dem Gespräch nicht um Cum-Ex ging, ist damit widerlegt.

Ist es üblich in Hamburg, dass in Senatsantworten gelogen wird? Und hat das eigentlich Folgen?

Wir haben die Präsidentin der Bürgerschaft angeschrieben. Das muss unbedingt verfolgt werden. Das ist nicht zu akzeptieren, gerade in so einer sensiblen Angelegenheit – da geht es um insgesamt 200 Millionen – muss völlige Klarheit existieren. Herr Scholz macht das nicht als Herr Scholz, sondern als Bürgermeister dieser Stadt. Da muss das Parlament informiert werden.

Nun versichert aber auch der Leiter der Steuerverwaltung, Ernst Stoll, es habe keinen politischen Einfluss gegeben.

Ich bin sicher, dass es keinen direkten politischen Einfluss gibt. Herr Tschentscher oder Herr Scholz werden da nicht angerufen haben: Ihr müsst es so und so machen. Das irritierende für uns ist: 2016, während es im Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex gibt, während NRW die Staatsanwaltschaften in Gang setzt und alles mögliche untersucht, Cum-Ex als illegal und illegitim dargestellt wird, wo alle versuchen, Aufklärung zu machen – in dieser Zeit akzeptiert die Finanzbehörde, dass wir kein Geld wegen Cum-Ex-Geschäften von Warburg zurückfordern können. Während alle aktiv werden, akzeptiert Hamburg die Auffassung von Warburg. Das ist der Punkt. Wieso ist die Steuerverwaltung so lax, während alle anderen aktiv sind? Laut Zeit haben sich verschiedene Staatsanwaltschaften beschwert, dass in Hamburg die Behörden nicht ordentlich mit ihnen zusammenarbeiten.

Nun schreibt Herr Stoll, man müsse bei solchen Rückforderungen die Risiken mit abwägen, etwa Amtshaftungsansprüche der Bank, wenn diese Schaden nimmt.

Man muss es immer abwägen. Jede Bank wird einem sagen: Ihr wollt 43 Millionen von uns, wir werden pleite gehen. Dann muss die Steuerverwaltung sagen: Ihr könnt mit euren Bankraub doch nicht durchkommen. Die Banken haben illegal Gelder aus der Steuerkasse geholt.

Die Berichte erschienen kurz vor der Wahl. Wird das Thema hochgepusht, um der SPD zu schaden?

Das sind sehr langwierige Recherchen und die SPD weiß schon lange, dass es diese Vorwürfe gibt. Sie hätte dafür sorgen können, dass das Steuergeheimnis so gehandhabt wird, dass man diese Sache aufklären kann.

Wozu fordern Sie einen Untersuchungsausschuss?

Der soll genau herausfinden, wieso die Steuerverwaltung in Hamburg von 2016 bis 2019 anders gearbeitet hat als andere.

Kommt der auch zustande?

Wir brauchen dafür ein Viertel der Stimmen. Im Moment sagen die Grünen und die CDU, sie wollen das auch. Deswegen möchte ich jetzt eine klare Aussage von den beiden, dass wir das zusammen machen werden. Wir wollen den gleich in der ersten Sitzung nach der Wahl beantragen.

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