Klimaworkshop für Kinder: Eiswürfel im Museum

Ein Workshop in Berlin erklärt Kindern den Klimawandel. Warum es so dramatische Folgen hat, wenn Gletscher und Eisberge schmelzen.

Scmelzende Eiswürfel

In dem Workshop sind es nur Eiswürfel, in den Hochgebirgen sind es die Gletscher, die auftauen Foto: Comstock/Images Stockbyte/getty

BERLIN taz | Im Experimentenraum gluckert bereits eine Maschine, die kleine Eiswürfel produziert, als 15 Kinder zwischen neun und zwölf Jahren mit großen Augen hereinkommen. Sie sind heute im Neuen Museum in Berlin, um am „Sundays for Future“-Workshop teilzunehmen. Phi­lipp Tollkühn, ausgebildeter Ur- und Frühgeschichtler wird mit ihnen auf eine Zeitreise gehen. In einer historischen Spurensuche soll es darum gehen, wie sich das Klima auch schon früher verändert hat und wie die Menschen auf Veränderungen des Klimas reagiert haben.

Auch in der Steinzeit mussten sich die Menschen und Tiere schon an eine sich verändernde Natur anpassen. „Der Unterschied ist jedoch, dass die Umwelt damals noch den Menschen dominiert hat“, erklärt Tollkühn. „Heute ist es andersherum.“

Los geht es mit einem Experiment, welches das Gletscherschmelzen simulieren soll. Auf einem langen Tisch mitten im Raum stehen zwei Gefäße mit Wasser drin. Die Kinder füllen beide Gefäße mit Eiswürfeln aus der Maschine. Während die einen im Wasser schwimmen, türmen sich die anderen auf einem Steinhaufen. So soll ein Eispanzer nachgebildet werden. Am Rande des Steinhaufens stehen bunte Playmobil-Figuren. An der Wassergrenze malen die Kinder jeweils eine Linie. Am Ende des Workshops werden sie das Ergebnis sehen.

Weiter geht es mit einer Suchaufgabe. Auf laminierten Ausdrucken sind Objekte aus der Ausstellung zur Vor- und Frühgeschichte zu sehen: Tierschädel, Pfeilspitzen oder getöpfertes Kochgeschirr. Die erste Gruppe macht sich auf die Suche nach einem Mammutstoßzahn. „Das kenne ich aus dem Film ‚Ice Age‘ “, ruft Helene, eine der Teilnehmer:innen.

Jäger und Sammler

Es handelt sich um einen Fund aus Berlin-Spandau, der aus der Kaltzeit, also aus der Zeit um 16.000 vor Christus stammt. Zu dieser Zeit, der Altsteinzeit, lebten die Menschen als Jäger und Sammler und zogen Beutetieren wie Mammuts oder auch Bären hinterher, lebten also nomadisch. Um in den kalten Temperaturen überleben zu können, nähten sich die Menschen Kleider aus Tierfellen. Aus Tierzähnen und Knochen stellten sie Schmuck oder erste Werkzeuge her.

Durch das Töten der Tiere nahmen Menschen Einfluss auf die Evolution

„Von Natur aus hat der Mensch keine scharfen Krallen oder Zähne. Mit der Hilfe von Werkzeugen und anderen Erfindungen hat er es aber geschafft, sich dahingehend anzupassen, dass er Tiere jagen oder in sehr kalten Regionen leben kann, obwohl er es rein anatomisch eigentlich nicht kann“, erklärt Tollkühn.

Durch das Töten der Tiere nahmen die Menschen aber auch Einfluss auf die Evolution. „Durch das Jagen haben die Menschen dafür gesorgt, dass große Tiere wie Mammuts und Höhlenbären ausgestorben sind“, so Tollkühn. Kleinere Tiere wie Elche und Hasen, die in eher wärmeren Umgebungen mit viel Wald leben, haben sich hingegen vermehrt. Diese Phase wird in der Archäologie die quartäre Aussterbewelle genannt. Sie fand im Übergang von der Eiszeit zur wärmeren Zeit statt. Je wärmer es wurde, desto kleiner wurden die Tiere. Somit mussten also auch die Jagdwaffen angepasst werden. Mit Angelhaken aus Knochen, Harpunen oder Pfeil und Bogen konnten die Menschen auf der Jagd nun also auch genauer zielen.

In der Jungsteinzeit, in Mitteleuropa zwischen 9.000 und 3.000 vor Christus, begannen die Menschen schließlich sesshaft zu werden, Siedlungen zu bauen und Werkzeuge zu entwickeln, um Wald für Weideflächen und Ackerbau zu roden. Somit griff der Mensch zunehmend auch in die Pflanzenwelt ein.

Zurück im Experimenteraum zeigt Tollkühn den kleinen Teilnehmer:innen des Workshops anhand einiger Beispiele, wie Forscher:innen Temperatur­ver­änderungen in der Vergangenheit nachweisen können. Mithilfe eines Eisbohrkerns, also eines Bohrkerns, der in der Regel durch eine Bohrung in einem Eisschild oder Gletscher gewonnen wurde, lässt sich durch die unterschiedliche Dicke der Schichten beispielsweise erkennen, wie warm es zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit war. Eine dünne Schicht sagt aus, dass es zu dieser Zeit eher feucht und warm war, während eine dickere Schicht zeigt, dass es trockener und kälter war.

Heute ist der menschliche Einfluss auf die Umwelt durch Industrie, Landwirtschaft, Städtebau und Verkehr stärker als je zuvor. „Mittlerweile nimmt der Mensch so weit Einfluss auf die Natur, dass sich das Klima verändert. Das ist der größte Unterschied zu den Klimaveränderungen früher. Heute ist sie nicht natürlich, sondern menschengemacht“, so Tollkühn.

In Bezug auf die Vorhersagen vieler Wissenschaftler:innen zum Klimawandel bleibt er trotzdem zuversichtlich: „Der Mensch ist eigentlich so kreativ, dass er auch mit der modernen Situation umgehen kann und im Sinne einer positiven Veränderung nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Welt agieren kann.“

Dorothea Parak, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Bildung und Vermittlung am Neuen Museum, hat den Workshop initiiert. Es ist nicht der erste Klima-Workshop in Deutschland dieser Art. Das Thema findet überall immer mehr Interesse.

„Wir als Museen sollten uns, sofern wir das fachlich können, in aktuelle Debatten einmischen und zur Aufklärung beitragen“, so Parak. Dadurch, dass es in der Ausstellung Objekte gibt, die aus der Eiszeit stammen, können die Besucher:innen einen direkten Blick auf Klimaveränderungen in der Geschichte werfen.

Argumente liefern

„Wir können damit auch ein Argument liefern gegen Leute, die sagen, aber Klimawandel gab’s doch auch schon früher, und wir können dann sagen, ja, aber unter anderen Bedingungen. Klimaveränderungen gab es zwar auch schon in der Steinzeit, nur ist der Klimawandel heute nicht natürlich, sondern menschengemacht und viel rasanter“, erklärt Parak.

Die Eiswürfel vom Anfangsexperiment sind mittlerweile geschmolzen. Während der Wasserspiegel des Gefäßes ohne Steine gleich geblieben ist, ist die Wassergrenze neben dem geschmolzenen Eispanzer gestiegen, und die Playmobil-Figuren stehen knietief im Wasser. „Jetzt ertrinken die alle“, sagt eins der Kinder, und alle lachen. Die Verbindung des Experiments zum Klimawandel heute scheinen sie in diesem Moment nicht zu ziehen.

Der nächste Workshop ist am 29. März im Neuen Museum in Berlin, Tel.: 030-266 42 42 42

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