AfD in Thüringen: Gaulands cleverer Schachzug

Der AfD-Chef will, dass die Partei in Thüringen für Ramelow stimmt. Selbst wenn die Faschisten ihn wählen, heißt das nicht, dass er der Falsche ist.

Bodo Ramlow, Kandidat der Linken in Thüringen, sitzt im Abgeordnetenhaus und reibt sich die Augen

Auf die Stimmen der Faschisten würde er gern verzichten: Bodo Ramelow vor der Wahl in Thüringen Foto: reuters

Was immer man Alexander Gauland vorwerfen kann – und das ist eine Menge –: Dumm ist er nicht. Der Ratschlag des AfD-Ehrenvorsitzenden, die thüringische Landtagsfraktion seiner Partei möge bei einer neuerlichen Wahl des Ministerpräsidenten den Kandidaten der Linkspartei Bodo Ramelow wählen, ist ebenso perfide wie intelligent. Was wäre denn die Folge, wenn die AfD für Ramelow stimmte?

Müsste der frühere Ministerpräsident die Wahl dann ablehnen – weil der Vergleich mit dem FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich unabweisbar wäre? Oder dürfte, müsste er die Wahl annehmen, um wieder geordnete Verhältnisse herzustellen? So funktioniert das nicht, so wird das auch in Zukunft nicht funktionieren. Die Gemeinsamkeit der Demokraten darf nicht davon abhängen, ob Faschisten im Einzelfall mal mit ihnen stimmen.

Wenn es sich um ein strategisches Manöver handelt – und vieles, wenn nicht alles spricht dafür, dass dies in Thüringen der Fall war, als Kemmerich zum Ministerpräsidenten gekürt wurde – dann soll, kann, muss man sich diesem zynischen Schulterschluss verweigern. Zugleich aber gilt: Wer sich nicht abhängig machen will von Rechtsextremisten, darf nicht wie das Kaninchen auf die Schlange auf deren – vermutetes, sicheres, mögliches – Abstimmungsverhalten starren.

Wenn die AfD erklärt, dass die Erde keine Scheibe ist, dann wäre es absurd, wenn andere Parteien aus Prinzip dagegen sprächen. Die Erde ist keine Scheibe. Punkt. Das wird auch dann nicht falsch, wenn AfD-Abgeordnete sich dieser Erkenntnis anschließen. Was also kann getan werden, um tückische Unterstützung von Faschisten zu verhindern? Reden. Reden und reden. Klingt langweilig, ist langweilig, ist unendlich mühselig.

Aber notwendig. Was sind die Gründe, warum eine demokratische Partei für einen Vorschlag stimmt, welche Überlegungen sprechen dagegen? Öffentliche, ehrliche Diskussion. Keine Absprachen hinter verschlossenen Türen. Das wäre – ja, schon klar – wirklich ein Kulturbruch in Deutschland. Die Öffentlichkeit, die doch immer Transparenz fordert, wird sich zu Tode langweilen. Tja. Pech. Ob es funktionieren kann, steht dahin. Aber eine Alternative, die ein Erstarken der Faschisten verhindern kann, ist nicht in Sicht.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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