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Richtig gerechnet

Preisfrage: Ist der Wettbewerb zwischen ökologischen und konventionellen Produkten verzerrt? Ja, denn Umweltbelastungen werden Verursachern nicht in Rechnung gestellt

Bioschnitzel ist fast doppelt so teuer wie herkömmliches, weil die Haltung der Schweine entsprechend mehr Geld kostet Foto: imago

Von Ansgar Warner

Der Konsumbürger soll Politik mit dem Einkaufwagen machen, heißt es immer wieder – auch die Bundesernährungs- und -landwirtschaftsministerin Julia Klöckner lädt die Verantwortung für gesunde, ökologisch hergestellte Lebensmittel gerne beim Verbraucher ab. Frei nach dem Motto: Der Markt wird es schon richten. Das tut er auch, aber leider in die falsche Richtung, denn Ökofood ist vielen Kunden immer noch zu teuer. 10 Milliarden Euro werden in Deutschland inzwischen jährlich für Biolebensmittel ausgegeben, was knapp 10 Prozent des Gesamtumsatzes im Lebensmittelhandel entspricht. Biobauern erzielten zuletzt einen Anteil von knapp 5 Prozent der Verkaufserlöse der gesamten Landwirtschaft.

Der alternative Markt wächst, aber nicht schnell genug, um die industrielle Landwirtschaft in absehbarer Zeit maßgeblich zu verdrängen. Schuld daran ist eine systembedingte Wettbewerbsverzerrung, monierte eine Foodwatch-Studie schon in den nuller Jahren. Damals war man der Frage auf den Grund gegangen, warum der Preis für ein Bioschnitzel fast doppelt so hoch liegt wie für ein Normaloschnitzel. Hauptgrund: Die Erzeugerpreise liegen deutlich über dem von konventionellem Fleisch, da mehr Platz für die Futter-Anbaufläche gebraucht wird und mehr Arbeitszeit investiert werden muss.

Dafür wurde zwar eine Menge Energie gespart, weniger Stickstoff freigesetzt, weniger Treibhausgase ebenfalls, auch weniger Mineraldünger und weniger Pflanzenschutzmittel verbraucht – diese positiven Effekte spiegeln sich im Endverbraucherpreis aber gemeinerweise nicht wider. Den konventionell arbeitenden Land­wirten werden Umweltbelastungen nicht in Rechnung gestellt, deswegen können sie billiger produzieren. So funktioniert Kapitalismus; wer die Kosten am effektivsten drückt, kann die Konkurrenz unterbieten.

Damit wird aber ein fatales Signal an den Kunden gesendet: Der Preis des Bioschnitzels bildet zwar sehr ehrlich und transparent die ökologischen Kosten der Produktion ab, die ökonomische Kompromissbereitschaft der Verbraucher hat aber ihre Grenzen.

Bei aktuellen Befragungen geben fast zwei Drittel als Grund für die Kaufzurückhaltung bei Biolebensmitteln zu hohe Preise an. 10 Prozent Aufschlag findet jeder Zweite noch akzeptabel, fast genauso viele würden auch noch einen Öko-Aufschlag von 30 Prozent tolerieren. Geht die Schere jedoch noch weiter auseinander, halten die meisten die Hand aufs Portemonnaie und shoppen lieber konventionell.

Das billige Schnitzel ist aber bis heute eine ebenso ärgerliche wie schädliche Illusion – die Preisschilder lügen. Das zeigte erst 2018 eine Studie der Universität Augsburg: Würde man nämlich die Folgekosten der industriellen Fleischproduktion in die Bilanz eines Unternehmens mit einrechnen, müssten sich die Erzeugerpreise verdreifachen. Rein rechnerisch ergab sich nämlich ein Aufschlag von fast 200 Prozent. Bei Milchprodukten läge der Aufschlag immerhin noch bei fast 100 Prozent. Der Preisunterschied zwischen Bioware und konventioneller Ware wäre auf diese Weise fast verschwunden.

Fast – denn auch beim Vertrieb der Waren gibt es einige marktverzerrende Faktoren. Etwa ein Drittel aller Ökoprodukte wird über Naturkostläden oder Reformhäuser abgesetzt, die überhaupt keine konventionellen Produkte in ihren Sortimenten führen, intensiven Service und Beratung bieten und zudem ihre eigene Lieferlogistik finanzieren müssen. Außerdem muss natürlich auch das brancheninterne System zur Ökoqualitätskontrolle aufrechterhalten und bezahlt werden.

Wie lässt sich all das ändern? Solange die Preise am Markt die negativen Klima-, Umwelt- und Gesundheitsfolgen nicht abbilden, müsse man schlicht von „Marktversagen“ sprechen, fasst es Studienleiter Tobias Gaugler von der Universität Augsburg in drastische Worte – dieser Marktverzerrung könne man letztlich nur mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen begegnen.

Allerdings sorgen auch die aktuellen Entwicklungen auf dem Ökomarkt für Entspannung – denn immer mehr Waren in Bioqualität landen im Sortiment von Discountern, zudem steigt die Zahl der Biosupermärkte, die durch große Handelsmengen günstigere Margen erzielen können. Hier zumindest wirken die Marktkräfte sich für die Umwelt positiv aus – abgesehen von den Folgen für die kleineren Naturkostläden.

Auffällig ist übrigens auch, dass die Preise für konventionelle Lebensmittel weitaus stärker fluktuieren – etwa bei Milch, Butter oder Käse. Was nicht nur Verbraucher verärgert, sondern bei stark fallenden Preisen auch die Erzeuger immer wieder vor massive Probleme stellt, wenn die Preise unter die Wirtschaftlichkeitsschwelle sinken. Das vielfach beklagte Höfesterben wird durch solche Marktbewegungen zusätzlich befördert.

Dieses Problem zumindest haben Biolandwirte nicht, sie können besser kalkulieren, was dann auch den Kunden zugutekommt, die sich auf ein Preis­niveau verlassen können.