Krieg in Syrien: Ankara stellt Assad ein Ultimatum

Nach der Konfrontation zwischen der Türkei und Syrien spitzt sich die Lage in Idlib weiter zu. Erdoğan fordert das Assad-Regime zum Rückzug auf.

Schwer beladene Autos auf einer staubigen Straße

Syrische Flüchtlinge aus Idlib fliehen zur türkischen Grenze, 30. Januar Foto: Ghaith Alsaed/ap

ISTANBUL taz | Nach zwei Tagen Gefechten zwischen türkischen Truppen und den Soldaten des Assad-Regimes im Nordwesten Syriens hat die Türkei ein Ultimatum gestellt. Wenn die syrischen Truppen sich bis Ende des Monats nicht auf die Waffenstillstandslinie vom Dezember letzten Jahres zurückziehen würden, werde die türkische Armee sie zurücktreiben, sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch in einer Rede vor seiner Fraktion in Ankara.

Schon zuvor hatte Erdoğan gegenüber Journalisten erklärt, die Türkei werde keine weiteren Geländegewinne des syrischen Regimes in der Provinz Idlib mehr zulassen. Das soll Erdoğan auch in einem Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am späten Dienstagabend gesagt haben, in dem er zudem weitere Militäraktionen angekündigt haben soll.

Putin erklärte, die Lage in Idlib sei besorgniserregend. Es gebe „eine starke Zunahme von Aktivitäten terroristischer Gruppen“. Dazu passt eine Meldung der türkischen Zeitung Cumhuriyet, die berichtete, am Dienstag seien vier hochrangige russische Militärberater von Dschihadisten der Gruppe Hai'at Tahrir al-Scham (HTS) getötet worden. HTS kontrolliert weite Teile Idlibs.

Die Lage in Idlib hat sich in den vergangenen Wochen durch einen Vormarsch der Assad-Truppen, die von der russischen Luftwaffe unterstützt werden, fast täglich verschärft. Mit jedem Dorf und jeder Stadt, die die Assad-Truppen im Süden der letzten Rebellenhochburg erobern, wächst der Strom der Flüchtlinge.

Die UN teilten am Dienstag mit, dass wegen der Assad-Offensive seit dem 1. Dezember letzten Jahres 520.000 Menschen ihre Häuser verlassen hätten und sich seitdem auf der Flucht befänden. „Es gibt keine sicheren Orte in Idlib mehr“, sagte Jens Laerke vom UN-Menschenrechtsbüro gegenüber der Nachrichtenagentur AP, „die Bomben fallen überall.“

Der größte Teil der Flüchtlinge – 80 Prozent von ihnen sind UN-Angaben zufolge Frauen und Kinder – bewegen sich auf die türkische Grenze zu. Ankara ist deshalb alarmiert und befürchtet, dass hunderttausende Flüchtlinge, darunter auch islamistische Kämpfer, über die gesperrte Grenze drängen könnten. Schon letzte Woche hatte Erdoğan angekündigt, man werde das zur Not militärisch verhindern.

Als in der Nacht auf Montag ein türkischer Militärkonvoi in Idlib auf dem Weg zur Verstärkung ihrer Beobachtungsstützpunkte von Assad-Truppen angegriffen und sechs Soldaten und zwei zivile Lkw-Fahrer getötet wurden, eskalierte die Situation.

Erdoğan orderte umgehend Gegenangriffe an. Laut türkischem Verteidigungsministerium wurden dabei insgesamt 73 syrische Soldaten getötet oder schwer verletzt. Noch in der Nacht auf Donnerstag sollen türkische Haubitzen einen Feldflughafen der Assad-Truppen beschossen haben.

Rückendeckung aus den USA

Sowohl militärisch als auch politisch sitzt Russland in Idlib nun zwischen den Stühlen. Moskau unterstützt seinen Protegé Assad, hat gleichzeitig aber mit der Türkei und dem Iran den sogenannten Astana-Prozess angestoßen, unter dessen Ägide mehrfach Waffenstillstandsvereinbarungen für Idlib zwischen Erdoğan und Putin verabredet worden waren.

Erdoğan sollte die Dschihadisten von HTS entwaffnen; Putin wollte dafür Assad zurückhalten. Beide Seiten konnten oder wollten diese Vereinbarungen aber nicht einhalten. Angesichts des Vormarschs des syrischen Regimes, das Idlib erklärtermaßen vollständig zurückerobern will, ist Erdoğan nun so unter Druck geraten, dass er selbst militärisch eingegriffen hat.

Das von ihm am Donnerstag gestellte Ultimatum soll nun Raum für Verhandlungen schaffen. Gelingt das nicht, muss Erdoğan den Einsatz erhöhen und mehr Truppen schicken. US-Außenminister Mike Pompeo hat bereits angekündigt, dass die USA die Türkei in diesem Fall unterstützen würden.

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