Liebesleben in Ampel-Form

Die Stadt Hannover wagt sich ganz zaghaft an ein Symbol im Verkehr heran. Aber braucht es wirklich gleichgeschlechtliche Ampelfigürchen?

ja,

die gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen sind wichtig. Wenn Männer und Männer oder Frauen und Frauen zeigen, dass sie ineinander verliebt sind, wenn sie sich küssen oder an den Händen halten, müssen sie damit rechnen, angestarrt oder beleidigt zu werden. Das gilt vielleicht weniger für Berlin oder Köln, auf jeden Fall aber für das beschauliche Hannover.

Viele Bürger*innen haben keine Berührungspunkte mit gleichgeschlechtlichen Paaren oder Transmenschen. Sie sind überrascht. Sie starren. Natürlich ist ein Ampelmännchen nicht die Lösung gegen Engstirnigkeit und Homophobie.­ Aber es ist ein hübsches Symbol, das Spaß macht, wenn man es im Straßenraum entdeckt. Das Normalität schafft und während der Rotphasen sogar angestarrt werden darf.

Wer jetzt sagt, das reicht doch nicht, der oder die sollte in Hannover genauer hinsehen. Vergangenen August eröffnete hier das erste queere Jugendzentrum Niedersachsens, gefördert von der Stadt mit jährlich 50.000 Euro. Die Stadtverwaltung hat in ihrer Sprache den Gender-­Star eingeführt – ein Bekenntnis dazu, dass es nicht nur heteronormative Lebensformen gibt. Und die Stadt unterstützt Antidiskriminierungsarbeit wie das Sportbündnis Farbenspiel, durch das Schwule und Lesben im Sport mehr Akzeptanz erfahren sollen.

Hannover ist keine Stadt, die am Christopher­ Street Day (CSD) nur eine Regenbogenfahne am Rathaus hisst. Gerade deshalb sollten die Ampelpärchen dauerhaft bleiben. Braucht es für die Genehmigung einen konkreten historischen­ Bezug, soll der Rat halt gucken, wo zum ersten Mal in Hannover der CSD gefeiert­ wurde. Sich jetzt ohne Not ausbremsen zu lassen, schwächt das Vorhaben, und das hat Hannover­ nicht nötig. Andrea Maestro

nein,

wir brauchen sie auf keinen Fall. Es ist zwar voll nett, so ein Ampel-Signal an Schwule und Lesben. Es ist doch immer gut, Vielfalt sichtbar zu machen. Ja, schon. Aber was hat das mit Lichtzeichenanlagen zu tun?! Die sollen verhindern, dass Fußgänger*innen überfahren werden. Was, nebenbei bemerkt, mal besser, mal schlechter gelingt, weil viele Autofahrer*innen über rote Ampeln braten, wenn es sich um reine Fußgänger*innenampeln handelt.

Hannover kann sehr gerne das Rathaus mit Fotos von sich küssenden Frauenpaaren oder von Regenbogenfamilien tapezieren. Aber homosexuelle Ampelmännchen sind so originell wie: ein Winzer mit Rückenkorb (Bad Dürkheim), Stadtmusikanten (Bremen), Elvis (Bad Nauheim), Mainzelmännchen (Mainz), Bergmänner (Bergkamen), Theodor Fontane mit Hut (Neuruppin) und Rattenfänger (Hameln).

2019, das zeigt eine Googlenews-Suche, war das Jahr der Ampelmännchen. Kaum ein Stadtmarketing, das nicht mittun wollte beim munteren Assoziationsreigen. In Emden verhinderte das Amt für Straßen und Verkehr das Schlimmste und verbot Ottifanten, weil die nicht zu erkennen geben, wann „gehen“ und wann „stehen“ angesagt ist. Jetzt gibt es nur die Silhouette von Otto. Aber die Ottifanten­ bringen das Problem auf den Punkt: Verkleidete Ampelmännchen sind Ulknummern, um Tourist*innen zu erfreuen.

Das ist ein Niveau, auf das sich niemand begeben sollte, der gegen Diskriminierung kämpft. Und die sexuelle Orientierung der Ampelmännchen ist unbekannt. Aber zählen Sie mal unter den genannten Beispielen die Weibchen. Eiken Bruhn