heute in bremen
: „Ich will den Familien Gehör verschaffen“

Foto: Edition Salzgeber

Aysun Bademsoyist eine deutsch-türkische Dokumentarfilmerin.

Interview Dominika Vetter

taz: Frau Bademsoy, warum haben Sie einen Film über die Angehörigen der NSU-Opfer gemacht?

Aysun Bademsoy: Ich habe den Prozess intensiv verfolgt und festgestellt, dass immer die Perspektive der Täter im Fokus stand. Das hat mich sehr genervt. Es war deprimierend, dass die Angehörigen selten zu Wort kamen und wenn, dann nur sehr reduziert, weil das Gericht sich nicht für sie interessiert hat. Mich hat das sehr beschäftigt. Was die NSU-Morde für die Angehörigen bedeuteten, habe ich erst während des Prozesses mitbekommen. Ich war damals auch bei einem Gespräch mit Elif Kubasik, in dem sie über ihre Erfahrungen berichtete. Das hat mich sehr beeindruckt.

Hat Ihr Film eine politische Botschaft?

Natürlich. Die Botschaft ist, dass man nicht vergessen darf, was passiert ist. Der NSU-Prozess ist seit eineinhalb Jahren vorbei und seitdem nicht mehr im öffentlichen Diskurs. Ich möchte das Thema wieder in den gesellschaftlichen Fokus rücken.

Wodurch zeichnet sich Ihre filmische Perspektive aus?

Ich mache seit 25 Jahren Dokumentarfilme über Migrationsgeschichte in Deutschland. Mein Fokus liegt meistens auf den Angehörigen der zweiten und dritten Generation. Ich frage: Können diese Menschen nach dem NSU-Prozess Deutschland noch als ihre Heimat sehen? Fühlen sie sich hier noch sicher, nach diesem Staatsversagen? Die Taten hinterlassen auch Spuren bei den Menschen, nicht nur am Tatort – das möchte ich zeigen.

Wie haben Sie es geschafft, die Angehörigen davon zu überzeugen, Teil Ihres Films zu werden?

Die Rechtsanwälte der Familien haben den Kontakt hergestellt. Am Anfang war mir gar nicht klar, um was es in dem Film gehen soll. Dann entschied ich, dass ich den Familien Gehör verschaffen will. Ich wollte herausfinden, wie sie mit ihren Erfahrungen umgehen, und konnte die Anwälte davon überzeugen, dass es mir um die Perspektive der Familien ging.

Film und Diskussion mit der Regisseurin: „Spuren – Die Opfer des NSU“, 18.45 Uhr, Cinema im Ostertor

Was wollen Sie Ihrem Publikum mitgeben?

Ich will sie nachdenklich machen und wünsche mir, dass sie berührt sind. Ich will Wissen darüber vermitteln, was mit den Familien passiert ist, damit dies nicht in Vergessenheit gerät.

Hat sich seit dem Urteil 2018 in der Berichterstattung über den NSU etwas verändert?

Nein, ich sehe das nicht. Eher gerät dieser Prozess in Vergessenheit.