Rückendeckung für Griveaux

Ex-Kandidat bei französischer Kommunalwahl in Paris mutiert zum Opfer im Sexvideo-Skandal

Aus Paris Rudolf Balmer

Voller Empörung haben am Wochenende Mitglieder von Emmanuel Macrons Partei La République en marche (LREM) auf allen Fernsehsendern gegen die Verletzung der Intimsphäre ihres Spitzenkandidaten bei den Kommunalwahlen Mitte März in Paris protestiert. Der ehemalige Regierungssprecher und Macron-Vertraute Benjamin Griveaux hatte am vergangenen Freitag seine Bewerbung zurückgezogen, als bekannt wurde, dass er einer jungen Frau Videos mit angeblich pornografischem Inhalt geschickt hatte.

Der russische Agitprop-Künstler Pjotr Pawlenski sitzt seit Samstag in Polizeihaft. Er hat selber erklärt, sich diese kompromittierenden Videos beschafft und sie auf seiner Website ab Donnerstag im Internet in Umlauf gebracht zu haben. Mehrere Personen, darunter ein LREM-Abgeordneter, hatten sie sofort weiterverbreitet.

Sie alle haben sich damit nach Ansicht von Griveaux’Anwalt einer Verletzung der Privatsphäre strafbar gemacht, die in Frankreich mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden kann. Pawlenski erhebt den Anspruch, mit dieser Publikation die „Heuchelei“ eines Politikers entlarvt zu haben, der sich in seiner Wahlkampagne ständig als braver Familienvater inszeniert hatte.

Zusammen mit Pawlenski wurde in einem Pariser Hotel auch dessen Freundin, eine angeblich 29-jährige Frau aus Metz, festgenommen. Auch gegen sie wird wegen des Delikts der mutmaßlichen Verletzung der Intimsphäre ermittelt. Sie befand sich deshalb am Sonntag ebenfalls noch in Polizeigewahrsam.

Wie mehrere französische Medien gestützt auf Angaben aus Polizeikreisen schreiben, soll Griveaux besagte Videos im Mai 2018 mit der jungen Frau ausgetauscht haben. Dem vernehmen nach ist darauf unter anderem zu sehen, wie er masturbiert.

Ist der Ex-Minister und Spitzenkandidat in eine Falle getappt? In den Netzwerken kursieren bereits allerhand Verschwörungstheorien. Griveaux wird darin zum Opfer einer heimtückischen Machenschaft und der Enthüllung seiner Intimität. Ein wenig vorschnell wird dabei verdrängt, dass Griveaux selber diese Videos aufgenommen und an eine ihm offenbar kaum bekannte Person verschickt hat. Das wäre zwar nicht illegal, aber für einen exponierten Mann, der Oberbürgermeister von Paris werden wollte, doch zumindest sträflich dumm. Der frühere Libération-Chef Serge July meint darum: „In der Epoche der sozialen Netzwerke muss ein führender Politiker aufpassen. Wer dies nicht macht, ist ein Dummkopf. Griveaux ist ein Dummkopf.“

Von diesem persönlichen Fehler möchten die VertreterInnen von LREM lieber nicht mehr reden. Sie versuchen nun den Griveaux-Skandal in eine Pawlenski-Affäre zu verwandeln oder eventuelle in- und ausländische Drahtzieher eines Komplotts gegen LREM oder Macron auszumachen. Das mag als Ablenkung vielleicht kurzzeitig funktionieren.