Pop-Songs über den Brexit: Wie ein schlechtes Tattoo

Der Austritt der Briten aus der EU hat ein eigenes Pop-Subgenre hervorgebracht: den Brexit-Song. Unser Autor hat sich ein paar Tracks angehört.

Gitarrenspieler springt schreiend in die Luft mit Union Jack T-shirt

„Willst Du 'nen Harten oder Weichen, denn er muss raus oder rein?“: Text aus Brexit-Song Foto: nild/Photocase/imago

Fast fünf Jahre dauerte der Brexitstreit, und er hat auch in der Musikwelt deutliche Spuren hinterlassen. Wer durch die Archive der Streaming-Anbieter scrollt, findet mehr als 60 Titel zum Thema Brexit.

Da wäre etwa eine obskure Band namens Political Figures, die ihr ganz eigenes hörbares Memorandum kreiert hat: Zu einem Synthpop-Beat sind Songzeilen wie „Brexit means Brexit. No one knows what it is“ und „Stop Brexit“ zu vernehmen. Zudem kann man einige O-Töne aus der Debatte der vergangenen halben Dekade nachhören.

Analytischer geht das Blowfish Theater aus dem Norden Englands mit ihrem satirischen Musical „Now that's what I call Brexit“ vor. Die Leave-Position wird zum Beispiel im Track „BeLeave“ verhandelt, zu Beatlesrefrains werden in „Take Back Control“ einige Hauptargumente der Leavianer geträllert.

Dem Remain-Lager scheint dagegen Folkrocker Douglas Hinton anzugehören. Der in Frankreich lebende Brite singt in „Road to Brextincton“, der Brexit sei wie ein schlechtes Tattoo: teuer, schmerzhaft – und nicht leicht rückgängig zu machen. Hinton liefert damit einen kurzen, knackigen Brexit-Blues, musikalisch solide, aber nicht originell.

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DJ Brexit geht dagegen zu wummernden Bierzelt-Technobeats expliziter zu Werke, er singt „Shove Your Brexit“. Gelungener ist da die Dancehallnummer von YT („Brexit“), nimmt sie doch die offensichtlichen Nachteile des Austritts in den Blick und verhandelt den inhärenten Rassismus genauso wie die Vorteile der EU-Mitgliedschaft. Eine der wenigen clubtauglichen Antibrexitnummern.

Herzzereißende Aussage

Die meisten Songs richten sich inhaltlich gegen den Brexit. Die Subkultur hat sich in den vergangenen Jahren recht deutlich zum Remainlager bekannt, während die Multimillionäre und Privatschulenabsolventen Nigel Farage und Boris Johnson gleichzeitig behaupten die Straße zu repräsentieren. Eine der wenigen Ausnahmen ist „We Want our Country Back!“ von der Band Brexitanthem aus dem Jahr 2016. Eine Zeile aus der simplen Rocknummer klingt heute geradezu prophetisch: „We will succeed if we believe we can“.

Eine schlichte Rocknummer ist auch auf dem Sampler Rage Against the Brexit Maschine“ im Song „We’re not gonna Brexit“ (nach Twisted Sisters) zu hören. Das darin skizzierte Vorhaben den Brexit zu verhindern konnte die Band aber nicht verwirklichen. Der Track erscheint zusammen mit 27 anderen Stücken, in denen man sich auf eine kleine Hörreise durch den Brexit aus Remain-Perspektive begeben kann. Hier tauchen sehr viele verschiedene Genres auf, von Rock- und Elektro-Stücken bis hin zur Klassik. Der Song „In Limbo“ sei allein wegen seiner herzzereißenden Aussagen von in Großbritannien lebenden EU-Bürger*Innen empfohlen.

Im “Remainer’s Song“ versucht man sich dagegen selbstkritisch zu hinterfragen und zu parodieren – eine Ausnahme. Spielchen mit Zitaten und O-Tönen von Nigel Farage, Stephen Hawking und einem Brexitwähler runden die Sache ab.

Vote Drillminister

Big Ben and the Brexit Singers“ aus den Niederlanden, widmen sich dagegen im lustigen Polka-Rhythmus dem Genre Altmännerhumor. „Willst Du 'nen Harten, oder Weichen, denn er muss raus oder rein?“, singen sie frei übersetzt, Schlümpfestar Vader Abraham steckt hinter dieser Nummer. Und selbst im Discostil wurde der Brexit aufgearbeitet. „Article 54“ bietet ganze acht Tracks, mit Titeln wie „Backstop“ und „No Deal.“

Drillminister dagegen bringt in Tracks wie „Brexit“, „Political Drilling“ und „NI Backstock“ nicht nur seine politischen Ansichten zum Ausdruck, man kann seine Stücke auch als eine Art Beitrag zum Wahlkampf verstehen.

Denn Yung Drilly, wie der immer noch Gesichtsmaske tragende Londoner genannt wird, hat sich diese Woche für die Bürgermeisterwahlen in der englischen Hauptstadt ins Gespräch gebracht, ganz auf den Spuren Boris Johnsons. So schillernd wie der wäre er ganz sicher.

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