Urteil zu linksunten.indymedia: Eher schikanös als rechtsstaatlich

Überzeugen die Gründe des Bundesverwaltungsgerichts, sich aus formalen Gründen nicht mit dem Verbot von indymedia zu befassen? Nein.

Drei RichterInnen am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Wollen sich mit linksunten.indymedia nicht befassen: die RichterInnen am Bundesverwaltungsgericht Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Das Bundesverwaltungsgericht hat Klagen gegen das Verbot der linksradikalen Internetplattform linksunten.indymedia ohne Prüfung abgelehnt. Die Justiz verweigert sich.

Nein, das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot der Webseite linksunten.indymedia nicht „bestätigt“, auch wenn manche Medien das nun so formulieren. Denn das Gericht hat die Gründe des Verbots aus formalen Gründen erst gar nicht geprüft. Damit ist auch der Vorwurf an den damaligen Innenminister Thomas de Maizière nicht ausgeräumt, er habe die linksradikale Webseite nach den G20-Krawallen von Hamburg vor allem aus symbolischen Gründen verboten.

Die Rechtsschutzverweigerung durch das Bundesverwaltungsgericht ist auch nicht überzeugend. Es ist ja nicht so, dass hier Leute aus Neugier und allgemeinem Interesse das Gericht angerufen haben. Es waren vielmehr genau die Personen, die vom Verfassungsschutz und vom Innenministerium verdächtigt wurden, sie hätten linksunten.indymedia betrieben. Sie waren und sind ganz konkret von Durchsuchungen und Beschlagnahmungen betroffenen und haben damit ein klares Rechtsschutzbedürfnis.

Dass sie laut Bundesverwaltungsgericht erst dann eine gerichtliche Prüfung des Verbots erreichen können, wenn sie sich offiziell als Verantwortliche outen – mit allen eventuellen straf- und haftungsrechtlichen Folgen –, das wirkt eher schikanös als rechtsstaatlich.

Allerdings ist auch nach dem Verbot von linksunten.indymedia die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland nicht in Gefahr. Auch heute kann linke und linksradikale Politik auf vielen Internetportalen diskutiert werden. „de.indymedia.org“ ist nur das bekannteste Beispiel. „Solidarität mit linksunten. Bullenwache in Flammen“ wird dort gerade getitelt. Mit Problemen muss ein Portal aber rechnen, wenn es nicht nur Diskussionen über strafbare Praktiken zulässt, sondern zum Posten strafbarer Inhalte geradezu offensiv einlädt.

Wer auch das in einer Demokratie für unverzichtbar hält, sollte sich daran erinnern, dass es in Deutschland nicht nur Linksradikale, sondern auch Rechtsextremisten gibt. Die Auslegung der Presse- und Meinungsfreiheit an der Grenze zur Illegalität gilt im Verfassungsstaat natürlich nicht nur für Linke, sondern auch für Rechte. Würde im Interesse des freien Diskurses ein Portal akzeptiert, in dem regelmäßig zu Straftaten aufgerufen wird, dann gälte dies tendenziell auch für die gewaltbereite Rechte. Will man das wirklich? In dieser Zeit?

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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