wochenschnack
: Sehen und sehen lassen

Hilft ein Verbot der Gesichtsverschleierung den Frauen, die sie tragen? Oder ist so ein Verbot seinerseits patriarchal?

Mit Niqab: Frauen bei einem Prozess in Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

Frauenfeindliche Positionen

Der Niqab ist nur in einem kleinen Teil der muslimischen Gesellschaften traditionelles Kleidungsstück. Sehr wohl aber ist er überall auf der Welt in salafistischen und extremistischen Strömungen des Islams nicht selten anzutreffen.

Er ist schlicht und einfach nicht bloß Zeugnis des individuellen Glaubens, sondern einer ganz bestimmten Glaubensrichtung, die überdies fast immer auch politisch ist und reaktionäre und frauenfeindliche Positionen vertritt. Das wird auch in den muslimischen Gesellschaften, in denen er keine Tradition hat – also den weitaus meisten – genau so verstanden. Unter anderem deswegen ist er z. B. in Marokko komplett verboten.

Ein Niqab kann genauso wenig neutral sein wie Thor-Steinar-Klamotten. Die kann man zwar auch nicht verbieten, aber sie zeigen nun einmal auch eine Geisteshaltung, die mit dem Selbstbild einer Universität in der Regel nicht vereinbar ist. Suryo, taz.de

Etwas vorsichtiger

@Suryo Ich denke, dass Niqab und Burka und so etwas älter sind als das, was wir heute politischen Islam nennen. Es fehlt uns allerdings so etwas wie eine Kulturgeschichte dieser Kleidungsstücke. Hätten wir die, wären wir mit Einordnungen vielleicht etwas vorsichtiger.

Christine Rölke-Sommer, taz.de

Religiöser Rollback

@Suryo Würde ich auch so sehen. Gleichzeitig mache ich mir aber auch zu eigen, was der Theologe Bielefeldt sagt: „Ich bin gegen die Burka und gegen ein Burkaverbot.“

Natürlich demonstriert eine Burka-Trägerin, dass sie mit unserer Gesellschaft nichts zu tun haben will.

Na schön, ich will auch nichts mit ihr zu tun haben. Es sind ja nur sehr wenige Frauen, die das Teil tragen, bzw. tragen wollen. Was mir mehr Sorge macht, ist der religiöse Rollback in den vergangenen Jahren insgesamt. Also auch die massive Zunahme der Kopftücher. „Hurra, wir werden religiös“, das ist ja keine gute Nachricht.

Jim Hawkins, taz.de

Konkret helfen

Die Formel am Schluss gefällt mir sehr gut: „Ich bin gegen die Burka und gegen ein Burkaverbot.“ Es braucht Überzeugungsarbeit und Hilfs- und Bildungsangebote für die betroffenen Frauen. Verbote bewirken oft das Gegenteil von dem, was erreicht werden soll.

Der Autor nennt ja auch das Beispiel der Abtreibungsdebatte. Auch hier ist so eine Formel sehr angebracht: „Ich bin gegen Abtreibung und gegen ein Abtreibungsverbot“, könnte ich so sofort unterschreiben. Konkret Frauen helfen und unterstützen hilft auch hier tausendmal mehr als Kriminalisierung.

ausblender, taz.de

Erschreckender Punkt

Es ist schon erstaunlich, wie um das Wesentliche herumgeredet wird. Es geht schlich und einfach darum, dass Frauen nicht gewillt sind, um des gesellschaftlichen Friedens willen den Hijab (Kopftuch, Nikab, Burka) in bestimmten Situationen und bestimmten Bereichen abzulegen, weil Gott es so will. Dabei werden über 200 Jahre Aufklärung in der Diskussion geflissentlich ignoriert.

Das hat wenig mit einer offen Gesellschaft zu tun, die doch so gerne gepriesen wird. Das ist ein erschreckender Punkt in der ganzen Angelegenheit. APO Pluto, taz.de

Nicht hier

Ich respektiere den Niqab in traditionell muslimischen Ländern, nicht hier in unserer säkularisierten Gesellschaft. Hier gehört er nicht her. Ich finde es vermessen, dass Niqab-Befürworter dies nicht respektieren und uns stattdessen Intoleranz und Verwehrung der Religionsfreiheit vorwerfen.DaBa, taz.de

Wunsch nach Religionsfreiheit

@DaBa Säkulare Gesellschaften sind unter anderem aus dem Wunsch nach uneingeschränkter Religionsfreiheit heraus geschaffen worden ...

taz nord | Stresemannstraße 23 | 22769 Hamburg | briefe@taz-nord.de | www.taz.de

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

boidsen, taz.de

Einfalltor

@boidsen Uneingeschränkte Religionsfreiheit fordert keine vernünftige Gesellschaft. Auch nicht das Grundgesetz. Wo Religion zum Einfallstor für Totalitarismus und Extremismus wird, ist die Grenze einer Duldung überschritten. Und genau das ist der Kern der Vollschleierdebatte.

Chutriella, taz.de

Symbol der Unterwerfung

Der Gesichtsschleier ist kein folkloristisches Accessoire wie ein Dirndl, bei dem die Trägerin sagen kann: Jo mei, gefällt mir. Zieh ich an. Er ist ein traditionelles Symbol der Unterwerfung genauso wie der Schleier der Braut oder Habit einer Nonne.

Falls jemand meint, sie wäre dadurch glücklicher, ehrbarer oder zufriedener, wenn sie ihn trägt, bitte. Falls sie aber meint, das Tragen des Schleiers würde sie erhöhen und alle, die es nicht tun, erniedrigen, dann ist an dieser Stelle die Grenze meiner Toleranz erreicht. Und Männer, die meinen, Frauen müssten einen Schleier anlegen, damit man sie als Frau respektieren kann, sollte man mit einem Hodenhämatom ausstatten. Carine Salazar, taz.de