Christdemokraten: Dringend gesucht: Eine(r) für alle

Berlins CDU-Chef Kai Wegner fordert für Parteivorsitz eine Person, die die Partei eint – mag sich aber selbst wie auch andere nicht festlegen.

Gerade besonders stark im Fokus: Die CDU, die eine neue Parteispitze braucht Foto: dpa

Die Jobbeschreibung hat Kai Wegner konkret vorgegeben: Die neue Person – ob Mann oder Frau, lässt der Berliner CDU-Chef offen – an der Spitze seiner Partei „muss durch ihre persönliche Glaubwürdigkeit die ganze Bandbreite der Volkspartei CDU abbilden“. So hat es Wegner nach der Rückzugsankündigung von Nochchefin Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Pressemitteilung formuliert. Fragt man führende Christdemokraten, wer das denn konkret sein könnte, wird es schnell diffus. Immerhin eines ist klar: Kramp-Karrenbauers Rücktritt hat Berlins CDU-Chef nicht verstört – „ich halte diesen Schritt für richtig“.

Vage sind die Äußerungen zwei Tage nach der Rückzugsmeldung. „Ich werde mich jetzt nicht auf Personaldiskussionen einlassen“, ist etwa von Generalsekretär Stefan Evers zu hören. Auch Wegner selbst überlässt es anderen, das von ihm verbreitete Anforderungsprofil mit einem konkreten Gesicht zu verbinden: „Meine Erwartung ist, dass sich die Führungspersönlichkeiten der CDU sehr zügig auf einen Kandidaten mit einem starken Team verständigen“, sagt er der taz.

Der Zehlendorfer Bundestagsabgeordnete und frühere Justizsenator Thomas Heilmann hält es für gar nicht möglich, sich mangels offizieller Kandidaturen jetzt schon zu positionieren. „Wenn wir gar nicht wissen, wer antritt, kann ich mich auch noch für niemanden entscheiden.“ Wisse man denn, dass es bei den drei immer wieder Genannten – Friedrich Merz, Armin Laschet, Jens Spahn – bleibe? Das ist laut Heilmann vorherrschende Meinung unter den sechs Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten, aber auch weithin in der gesamten Fraktion.

Immerhin ist nicht nur das in solchen Fällen oft übliche Politsprech-Versatzstück „eine ganze Reihe hervorragender Kandidaten“ zu hören. „So richtig glücklich macht mich keiner der Genannten“, sagt der taz Cornelia Seibeld, Vizechefin der Abgeordnetenhausfraktion. Sie zeigt sich skeptisch, dass einer der drei – Merz, Laschet, Spahn – tatsächlich (wie von Wegner gefordert) die ganze Bandbreite der CDU abbildet und die Partei einen kann. Einen Favoriten mag auch sie nicht erkennen: Bei einem Ortsverbandstreffen in dieser Woche sei unter 20 Teilnehmern jede Position gleichermaßen vertreten gewesen.

Entscheidung schneller als geplant

Kramp-Karrenbauer hatte am Montag erklärt, sie werde den CDU-Vorsitz abgeben. Klärung über Parteispitze und Kanzlerkandidatur sollte es nach ihren Vorstellungen erst bis zum regulären CDU-Bundesparteitag im Dezember in Stuttgart geben. An diesem Mittwoch zeichnet sich jedoch ab, dass es wesentlich schneller geht. „Es wird einen Sonderparteitag Ende ­April oder im Mai geben“, sagen mehrere üblicherweise gut informierte CDUler.

Eine Woche ist es her, dass sich nach dem Eklat im Thüringer Landtag Zweifel am Demokratieverständnis in der Berliner CDU aufgetan haben. Denn Burkard Dregger, der Chef der Abgeordnetenhausfraktion, gratulierte nach der ersten nur mit AfD-Stimmen möglich gewordenen Wahl eines Ministerpräsidenten und sagte: „Das ist eine demokratische Entscheidung, die nicht zu kritisieren ist“ – eine Äußerung, die für SPD-Landeschef Michael Müller „ein Skandal“ war.

Monika Grütters hingegen, bis Mai Vorsitzende der Berliner Christdemokraten, hatte komplett anders reagiert und eingangs einer Rede als Kulturstaatsministerin gesagt: „Ich bin auch entsetzt, und ich finde es umso schlimmer, dass es auch mit Stimmen der Unionskollegen möglich geworden ist, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD, also der rechtspopulistischen Menschenverächter, gewählt worden ist.“

Ihr Nachfolger Wegner hielt es offenbar für angesagt, ein gemeinsames Zeichen mit Dregger zu setzen und einen schon vereinbarten Gastbeitrag für die Berliner Zeitung unter beider Namen laufen zu lassen. Darin grenzen sie die CDU von links wie rechts ab – „AfD und Linkspartei können keine Partner für die CDU sein“, betonten sie. Zur Wahl in Thüringen heißt es in dem Text: „Die Fehler, die von vielen Akteuren begangen worden sind, müssen jetzt korrigiert werden und dürfen sich in Zukunft nicht wiederholen.“ Der gemeinsame Beitrag soll zudem einem zweiten Zweck gedient haben: „Das war auch ein Zeichen nach innen: Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren“, heißt es aus der Partei.

Generalsekretär bestreitet Einfluss der „Werte-Union“

Generalsekretär Evers sieht in der Abgrenzung von rechts und links keine Gleichsetzung von AfD und Linkspartei, die manche Stimmen seiner Partei vorwerfen: „Ich halte es für absurd, von Gleichsetzung zu reden, wenn man aus unterschiedlichen Gründen zu dem gleichen Ergebnis kommt“, sagt Evers am Mittwoch.

Der Generalsekretär bestreitet auch, dass die parteiinterne und besonders konservative CDU-Gruppe „Werte-Union“, die sich für eine Öffnung zur AfD hin ausspricht, großen Einfluss habe. Dass sie dennoch Aufmerksamkeit genießt, schreibt er den Medien zu: „Die Werte-Union ist wahrscheinlich kleiner als die Kommunistische Plattform der Linkspartei, wird aber trotzdem viel öfter zitiert.“ 1 Prozent der CDU-Mitglieder ordnet Evers der „Werte-Union“ zu. Einen Stimmungsschwenk zur AfD sieht auch seine Parteifreundin Seibeld nicht: Die Gruppe jener, die für eine Zusammenarbeit mit der AfD offen sind, sei „verschwindend gering“.

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