Tabubruch mit Ansage

Erfurter CDU-Stratege nannte Zustimmung der AfD bei der Wahl eines Regierungschefs legitim

Es war kein Dilettantismus und auch keine Inkompetenz. In Thüringen scheint die CDU vielmehr die Abwahl des rot-rot-grünen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow mit Hilfe der AfD bewusst betrieben zu haben. Das ergibt sich aus dem Schreiben eines engen Vertrauten von Thüringens CDU-Chef Mike Mohring.

Drei Tage vor der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten Thüringens legte Karl-Eckhard Hahn, der Leiter des wissenschaftlichen Dienstes der CDU-Fraktion in Erfurt, in einem Text dar, dass eine Landeskoalition von CDU und FDP „realitätsfremd“ sei, da ohne „Zustimmung von AfD-Abgeordneten“ keine Korrekturen der rot-rot-grünen Landespolitik möglich wären.

In dem Beitrag für The European – Das Debatten-Magazin spielt Hahn die Frage durch: „Doch was ist, wenn eine Regierung mit Stimmen von AfD-Abgeordneten ins Amt kommt?“ Die Fragestellung sei durch die Ankündigung der FDP, mit Kemmerich einen eigenen Kandidaten aufzustellen, virulent geworden. Hahn bezeichnet diese Zustimmung als legitim. In dem Strategietext führt er zwar ausdrücklich aus, dass der Verfassungsschutz dem thüringische AfD-Fraktionschef Björn Höcke und dem von ihm dominierten „Flügel“ „stark verdichtete Anhaltspunkte“ für „extremistische Bestrebungen“ attestiert. Doch zugleich hebt er hervor, dass sich bei der AfD in Gänze „'Verdachtssplitter“ nicht verdichtet hätten. Und Hahn stellt klar: Die AfD-Abgeordneten seien demokratisch legitimiert „und repräsentieren das Volk“. Für sie müssten „die gleichen Maßstäbe“ wie für alle gelten.

Mit dieser Einschätzung ebnete Hahn den Weg für eine parlamentarische Zusammenarbeit. Dabei kommt der Autor selbst aus dem neurechten Milieu, wie anlässlich seiner Amtseinführung zum Regierungssprecher Thüringens im Jahr 2013 bekannt wurde. 1983 soll er als 23-Jähriger Redakteur bei dem Blatt Phönix gewesen sein und 1988 zu den Mitgründern der Etappe gehört haben. Beide Zeitschriften werden der „Neuen Rechten“ zugeordnet. Verwiesen wird auch auf Hahns damalige Mitgliedschaft in der Deutschen Gildenschaft, einem Netzwerk, aus dem führende neurechte Akteure kommen. Eine von ihnen ist Götz Kubitschek, ein Freund von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke.

2013 gab die Innenministerkonferenz ein Gutachten zur Deutschen Gildenschaft in Auftrag. Das im Folgejahr von dem Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz vorgelegte Papier wurde nicht veröffentlicht. Es heißt, Benz habe dort das Fazit gezogen, dass die Gildenschaft eine Verbindungsfunktion zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus habe. Diese „ultrakonservativen Akteure“ operierten in „einer nicht justiziablen Grauzone“ und wollten „gesellschaftlichen Einfluss nehmen“. Anhänger dieser Richtung“ seien nicht als Regierungssprecher tragbar.

Konsequenzen aus dem Gutachten gab es nicht. Der damalige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) war es, der Hahn 2013 selbst in Schutz nahm. Am Samstag twitterte Ramelow zu Hahn: „Danke für nichts! Sie sind wieder in Ihrer eigenen Vergangenheit angekommen oder haben einfach nur die Verstellung aufgegeben!“ Andreas Speit