Fußball mit Fehlern

Das 3:4 Dortmunds bei Bayer Leverkusen zeigt: Für große Fußballabende ist der BVB zu haben, für stabile Siege nicht

Am Samstag ohne Tor und ohne Sieg: BVB-Neustar Erling Haaland (r.) Foto: Meissner/ap

Aus Leverkusen Daniel Theweleit

Wieder einmal hatten die Dortmunder einen großen Beitrag zu einem hinreißend schönen Fußballspiel geleistet, und wieder einmal haben sie Fehler gemacht, die sich eine Spitzenmannschaft nicht jede Woche aufs Neue erlauben kann.

Seit über eineinhalb Jahren kämpfen die Dortmunder mit dieser Schwäche, sie haben mit Axel Witsel, Thomas Delaney, Nico Schulz Mats Hummels und nun auch Emre Can etliche prominente Profis explizit mit dem Ziel verpflichtet, das fragile Ensemble irgendwie stabil zu bekommen. Vergeblich.

Nun stand Can erstmals seit seinem Winterwechsel von Juventus Turin auf dem Rasen und erlebte das Phänomen erstmals als Protagonist. „Von vorne bis hinten, jeder Einzelne muss wissen, was er zu tun hat, wie er zu verteidigen hat. Wir müssen lernen, einfach mal dreckiger zu sein“, sagte er. Der BVB ist nicht in der Lage, Spiele in den entscheidenden Phasen zu kontrollieren, dafür zu sorgen, dass einfach mal Ruhe herrscht auf dem Platz.

Statt einen kraftvollen Siegeswillen auszustrahlen, der Gegner entmutigt, habe die Mannschaft in den „Verwaltungsmodus“ umgeschaltet, monierte Hummels. „Irgendwann kam der Moment, ab dem wir gehofft haben, dass das Spiel bald vorbei ist. Und wenn man hofft, das Spiel ist gleich vorbei, dann geht es schief.“

Can schoss zwar ein wunderschönes Tor, die erhoffte Dominanz im Raum vor der Abwehr erzeugte er jedoch nicht. Auch die Umstellung auf eine Viererkette, die Trainer Lucien Favre vorgenommen hatte, taugte nicht als Mittel gegen die Gegentorflut. Die tieferen Ursachen liegen im Dunkeln.

„Wir müssen lernen, einfach mal dreckiger zu sein“

Emre Can

Ziemlich klar ist nur, dass die Offensivleute Jadon Sancho, Achraf Hakimi oder Julian Brandt Spieler sind, deren Stärken im Spiel mit dem Ball liegen. Sie gehören nicht zu dieser Angreiferkategorie, die die gegnerischen Verteidiger ständig aggressiv beim Spielaufbau stressen. Teams wie Schalke, Freiburg oder Mönchengladbach haben diese im Fachjargon als „aggressives Anlaufen“ bezeichnete Defensivstrategie perfektioniert, den Dortmundern fehlt dieses Element. Zudem bleibt es rätselhaft, warum Favre sich beharrlich weigert, auf den dauerhaft formschwachen Manuel Akanji zu verzichten.

In Leverkusen spielte der Schweizer rechts in der Viererkette und sah bei allen vier Toren unglücklich aus: Das erste Tor begünstigte Akanji durch einen Stellungsfehler, beim zweiten Treffer verpasste er die Möglichkeit, die Flanke in den Strafraum zu verhindern, vor dem 3:3 ließ er den Torschützen Leon Bailey im Rücken weglaufen, und vor Sven Benders 4:3 übte er keinen Druck auf den Flankengeber Daley Sinkgraven aus. Keiner dieser Fehler gehört in die Kategorie „katastrophal“, aber Akanji muss sich mehr als alle anderen Dortmunder von Sebastian Kehls Grundkritik angesprochen fühlen. „Uns hat wieder die Ernsthaftigkeit gefehlt, auch die Zweikämpfe zu führen und gewinnen zu wollen“, sagt der Teammanager.

Das ist übrigens ein Vorwurf, den sie in Leverkusen bestens kennen, auch dort wird seit Jahren eine Mentalitätsdebatte geführt. Umso stolzer wirkte Trainer Peter Bosz, als er sagte: „Wir hatten den absoluten Willen, zu gewinnen.“ Die Werkself wirkte, als handele es sich gar nicht um Bayer Leverkusen. Ein Spiel in der Schlussphase zu drehen und die eigenen Chancen effizient zu Toren zu nutzen ist völlig untypisch für diesen Bundesligaverein; Sportvorstand Rudi Völler hofft nun auf eine langfristige Wirkung dieses erstaunlichen Erlebnisses: „So ein Spiel wie heute, das nimmst du mit, das kann uns daran erinnern, dass da vieles geht.“ Bayer hat noch einiges vor in dieser Saison, der Rückstand zum BVB in der Tabelle ist auf zwei Punkte geschrumpft.