Félix Tshisekedi ist jetzt ein Jahr Kongos Präsident

Zum Jahrestag werfen Bürgerrechtler dem Staatschef vor, viel zu viel Zeit im Ausland zu verbringen

Von Dominic Johnson

Unter eher konfusen Umständen hat die Demokratische Republik Kongo am Wochenende den Jahrestag des Amtsantritts von Félix Tshisekedi als Staatspräsident am 24. Januar 2019 begangen. Eine in kongolesischen Medien für den Sonntag angekündigte Großveranstaltung im größten Sportstadion der Hauptstadt Kinshasa, auf der Tshisekedi direkt mit dem Volk in Dialog treten sollte, fand nicht statt. Sowohl das Präsidialamt als auch die Verwaltung des Stade des Martyrs dementierten, dass sie überhaupt vorgesehen gewesen sei.

Tshisekedi selbst war am Jahrestag seiner Amtsübernahme noch auf der Rückreise aus der Schweiz, wohin er aus Großbritannien gekommen war und wo er mit einer umfangreichen Delegation am Weltwirtschaftsforum in Davos teilgenommen hatte. Einem Schweizer Zeitungsbericht zufolge reiste die Delegation ab, ohne ihre Hotelrechnungen zu bezahlen. Tshisekedi nutzt solche Reisen eigentlich, um Investoren davon zu überzeugen, dass sein Land unter ihm ein verlässlicher Partner sei, anders als unter Joseph Kabila.

Die kongolesische Bürgerrechtsgruppe La Lucha (Kampf für den Wandel) hat am Wochenende in einer Bilanz vorgerechnet, dass der neue Präsident in seinem ersten Jahr im Amt mindestens 39 Auslandsreisen bestritten und 30 Länder besucht hat. Er habe insgesamt 202.399 Reise­kilometer absolviert, das entspreche fünf Erdumrundungen oder auch 526 Kilometer pro Tag. 107 seiner 365 Tage im Amt habe Tshisekedi außerhalb des Kongo verbracht. Von den 26 Provinzen des Landes außerhalb der Hauptstadt habe er im gleichen Zeitraum lediglich acht besucht.

Die vielen Reisen „haben bisher nicht die erhoffte Wirkung erbracht“, kritisierte die Bürgerrechtsbewegung. „Ausländische Investoren können sich nicht in einem Land engagieren, wo die Korruption institutionalisiert ist und die Unsicherheit neue Höhepunkte erreicht hat.“

Tshisekedi selbst hatte auf seiner Europatournee im November, die ihn auch nach Berlin geführt hatte, seine vielen Reisen als „Belastung“ bezeichnet, die er nur auf sich nehme, „weil überall auf der Welt die Leute etwas Neues aus dem Kongo hören wollen“. Das Land mit 80 Millionen Einwohnern gehört zu den ärmsten der Welt und hat über ein Vierteljahrhundert Staatszerfall und Dauerkonflikte hinter sich.