CTM-Festival 2020: Die Londonisierung Berlins

Der Senat fördert nun CTM, die Festival-Plattform für elektronische Musik und Club-Kultur – und lässt die Clubs sterben.

Ein Mann mit Lichtreflexen: Ein Porträt von Squarepusher

Im Glanz der Clubmusik: Auch Squarepusher war Gast beim CTM-Festival Foto: Donald Milne

Zweihundert Künstler:innen auf über hundert Events: Vergangenen Sonntag endete das CTM-Festival, das Berlin jährlich für zehn Tage zur weltweiten Hauptstadt elektronischer Musik macht. Nicht nur einer der Termine, die jährlich rund drei Millionen Club-Touristen in die Stadt spülen, sondern auch der zentrale Ort, um elektronische Musik und Club-Kultur international zu diskutieren. Dieser Austausch ist wichtig, das weiß mittlerweile auch der Berliner Kultursenator, der das Fortbestehen des CTM nun mit einer jährlichen Grundsicherung von 650.000 Euro über die nächsten vier Jahre absichert.

Doch während man sich in Berlin gern mit Aushängeschildern elektronischer Musik wie dem CTM oder dem Atonal-Festival schmückt, erodiert der Nährboden für Club-Kultur: die Clubs selbst. Denn neben dem CTM-Closing gab es diesen Sonntag ein zweites: die Abschiedsparty der Grießmühle. Vor wenigen Wochen erfuhren die Betreiber des Techno-Clubs, dass der neue Vermieter, der Immobilieninvestor Siag Property II GmbH, den Mietvertrag nicht verlängern wird, um das Club-Areal ohne Vorbelastung verkaufen zu können. Die Grießmühle darf zwar für die nächsten zwei Monate weitermachen, allerdings in Ausweichlocations. Hier konnte die Politik nicht helfen. Es war die Clubszene selbst, die sich solidarisch zeigte: Zwei Veranstaltungsorte leihen der Grießmühle ihre Räumlichkeiten. Ob es sich bei der Übergangslösung nur um eine lebensverlängernde Maßnahme handelt oder der Club tatsächlich eine neue Heimstatt finden wird, ist bisher offen. Auch dem KitKat, Berlins bekanntestem Fetisch-Club, droht in den kommenden Monaten die Schließung. Und wieder ist es das profitgeleitete Interesse eines Investors, das einen Club bedroht.

Man kann Berlin nicht vorwerfen, das Clubsterben nicht ernst zu nehmen. Aber die Hilflosigkeit der Politik im Kampf gegen die subkulturelle Verödung ist selbst verschuldet. Denn sie stellt Clubs rechtlich nicht mit Konzertsälen, Opern, Theatern und Programmkinos gleich, sondern mit Bordellen und Spielotheken. Und an solche „Vergnügungsstätten“ stellt der Staat höhere Ansprüche, etwa bei Bau- und Lärmschutz.

Doch selbst mit einer Gleichstellung von Clubs mit Theatern, wie sie mittlerweile sogar die Landesfraktion der CDU fordert, bleibt das einzigartige kulturelle Erbe Berlins bedroht. Ein geplantes Fachgespräch im Bundestag wird diesen Trend nicht stoppen können, weder in Berlin noch anderswo in der Republik.

Früher feierte man direkt in Mitte, morgen vielleicht

in Marzahn

Denn wenn millionenschwere Investoren und mittelständische Clubbetreiber um das gleiche Fleckchen Land in einer zugebauten Metropole kämpfen, ist klar, wer gewinnt. Es droht die Londonisierung Berlins: Während Bürogebäude und Luxuswohnungen die letzten Freiräume der Stadt versiegeln, wird Sub- und Clubkultur immer weiter an den Stadtrand gedrängt.

Früher feierte man direkt in Mitte, heute fährt man dazu an die Rummelsburger Bucht und morgen vielleicht nach Marzahn oder Frankfurt (Oder). Subventionen und baurechtliche Erleichterungen allein werden das nicht verhindern können. Das einzig wirksame Mittel: ein Bestandsschutz für Veranstaltungsorte innerhalb des S-Bahn-Rings. Etwas Ähnliches fordern Linke und Grüne bereits auf Bundesebene.

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