die woche in berlin
: die woche in berlin

Die „Schande von Thüringen“ beschäftigt auch die Berliner Politik. Fridays for Future Berlin bewegt sich – auf die Schule zu. Und dass das CTM-Festival jetzt gefördert wird, ist gut – noch besser wäre eine bessere Politik gegen das Clubsterben

Ein typischer ostdeutscher Landesverband

Der Rechtsruck bei den Berliner Christdemokraten

Ende Januar erst hat sich die grüne Fraktionsvorsitzende Antje Kapek mit Kai Wegner getroffen. Bei einem „Berlin-Salon“ wollten die Grüne und der CDU-Landesvorsitzende Möglichkeiten einer grün-schwarzen Zusammenarbeit ausloten. Voraussetzung dafür, so Kapek, sei es aber, eine deutliche Grenze nach rechts zu ziehen: „Wir brauchen eine klar sortierte konservative Kraft in der Gesellschaft, die deutlich macht, bis wohin verbale Grenzen ausgereizt werden dürfen.“

Spätestens seit den Ereignissen in Thüringen dürfte es aber wieder vorbei sein mit den grün-schwarzen Avancen. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD und CDU hatte der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger mit den Worten kommentiert: „Das ist eine demokratische Entscheidung, die nicht zu kritisieren ist.“

Eine Abgrenzung von rechts sieht anders aus. Mehr noch: Dreggers Freude über die „demokratische Entscheidung“, die er am Tag danach nur in homöopathischen Dosen entschärft hat, kann als Hinweis verstanden werden, dass es auch in der Berliner CDU Kräfte gibt, die eine Öffnung zur AfD betreiben. Bis hin zur Fraktionsspitze.

Dass Dregger zum rechten Flügel der Berliner CDU gehört, ist nichts Neues. Seit Monaten schon schießt er sich, ähnlich wie die CDU in Thüringen, auf die Linken als verhassten politischen Gegner ein. Die Hoffnungen der Liberalen in der CDU ruhten daher lange auf Kai Wegner, der im Mai 2019 Monika Grütters an der Spitze des Landesverbands abgelöst hat. Der Berlin Salon mit Kapek war ein Hinweis darauf, dass der Landeschef durchaus andere Töne anschlägt als der Fraktionschef.

Nach der Wahl von Kemmerich in Thüringen hat es Wegner allerdings an der nötigen Klarheit fehlen lassen. Weder Dregger noch Wegner habe sich von den Vorgängen bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, die nur mithilfe der AfD zustande kam, distanziert, sagte etwa SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Saleh spricht deshalb wie die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Regina Kittler, von einem „Rechtsruck“ der Berliner CDU.

Tatsächlich war Dregger nicht der Einzige, der sich erfreut über die Wahl Kemmerichs gezeigt hatte. Der Tagesspiegel berichtet, dass sich auch Frank Henkel ähnlich geäußert hat: „Ramelow abgewählt! Großartig!“, soll er in einem CDU-Chat geschrieben haben. Der rechtspolitische Sprecher und Kreischef in Mitte, Sven Rissmann, soll geschrieben haben: „Gut, dass der Kommunist weg ist.“

Damit scheint die Berliner CDU-Fraktion in Sachen AfD ähnlich gespalten zu sein wie die Fraktionen in Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt. Nein, eine liberale Großstadtpartei ist die Berliner CDU längst nicht mehr. Vielmehr ist sie auf dem besten Weg, ein typischer ostdeutscher CDU-Landesverband zu werden. Uwe Rada

Nein, eine liberale Großstadtpartei ist die Berliner CDU längst nicht mehr

Uwe Rada über das Echo bei der Berliner CDU nach dem Thüringer Beben

Fridays for Schule

FFF Berlin arbeitet jetzt mit der Bildungsverwaltung zusammen

Ein bisschen böse formuliert, könnte man sagen: Die Berliner FFF-Bewegung geht wieder artig zur Schule. Zwar sollen die wöchentlichen Schulstreiks weitergehen, aber ihnen gelte fortan nicht mehr das Hauptaugenmerk, hieß es am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Und dass da eine fröhliche Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) neben zwei Berliner Fridays-AktivistInnen saß, war überhaupt kein Zufall. Ja, man wolle in Zukunft zusammenarbeiten, hieß es. „Klimaverträge“ sollen die SchülerInnen künftig gemeinsam mit den LehrerInnen in ihren Schulen erarbeiten: Verzicht auf Einweggeschirr in der Caféteria, Klassenfahrten ins Umland statt mit dem Flieger nach Paris, richtiges Lüften. Auch eine jährliche Klimakonferenz, eine Art Netzwerktreffen zwischen Wissenschaft und Schule, soll es künftig geben, und ein Klimabüro in der Bildungsverwaltung, die all das koordiniert.

Aus Sicht der KlimaaktivistInnen ist dieser Schritt in die Realpolitik ein Schritt vorwärts: Man habe, sagte Fridays-Aktivist Quang Paasch am Mittwoch, wahlweise viel Lob oder Kritik für die Demos erfahren im vergangenen Jahr: „Aber man hat uns nie wirklich ernst genommen.“ Scheeres’ Behörde sei jetzt „die erste, die auf Augenhöhe mit uns spricht“.

Eine einerseits nachvollziehbare Selbsteinschätzung, wenn man die laschen Antworten der EntscheidungsträgerInnen (Pariser Klimaabkommen, das Klimapaket der Bundesregierung) auf die globale Klimabewegung betrachtet. Andererseits verwundert die Enttäuschung, denn dass eine Bewegung so groß wird und wirklich die Gesellschaft erfasst, passiert nur alle paar Jahrzehnte.

Die Mühen der politischen Ebene, das „konkrete Mitgestalten“ wird Kraft kosten. Kleinteiligkeit kostet Energie, wahrscheinlich auf Dauer so viel wie die große Mobilmachung jede Woche.

Die Fridays-AktivistInnen müssen etwas aufbringen, was sie bisher nicht unbedingt an den Tag gelegt haben: Geduld, und auch ein wenig Langmut mit sich selbst. Auch wenn sie meinen, keine Zeit mehr zu haben, bis die Polkappen geschmolzen sind: Genau die werden sie sich jetzt nehmen müssen, denn es kostet nun mal Zeit, zwei Fahrradbügel zusätzlich auf einem Schulhof aufzustellen oder gar bienenfreundliche Rabatten anzulegen – Polkappen hin oder her.

Vor allem aber sollten die AktivistInnen damit aufhören, sich prophylaktisch selbst zu verteidigen. „Wir sind eine erfolgreiche, schnell wachsende Bewegung“, wurde Paasch nicht müde zu betonen. Wiederholt man das zu oft ungefragt, klingt es nach Defensive. Aber natürlich möchte man nicht den Eindruck hinterlassen, man lasse sich von den „Entscheidungsträgern“, die man kritisiert, nun vereinnahmen.

Tatsächlich ist das wohl die Frage, vor der die ganze Fridays-Bewegung nicht nur in Berlin steht: Wie erreicht man mehr – mit Kooperation oder mit dagegen sein? Und kann man ein bisschen kooperieren und trotzdem noch Bewegung sein? Man wird sehen. Das Spannende an Bewegungen ist ja: Sie bewegen sich. Anna Klöpper

Die Londonisierung Berlins

Der Senat fördert das CTM – und lässt die Clubs sterben

Zweihundert Künstler:innen auf über hundert Events: Vergangenen Sonntag endete das CTM-Festival, das Berlin jährlich für zehn Tage zur weltweiten Hauptstadt elektronischer Musik macht. Nicht nur einer der Termine, die jährlich rund drei Millionen Club-Touristen in die Stadt spülen, sondern auch der zentrale Ort, um elektronische Musik und Club-Kultur international zu diskutieren. Dieser Austausch ist wichtig, das weiß mittlerweile auch der Berliner Kultursenator, der das Fortbestehen des CTM nun mit einer jährlichen Grundsicherung von 650.000 Euro über die nächsten vier Jahre absichert.

Doch während man sich in Berlin gern mit Aushängeschildern elektronischer Musik wie dem CTM oder dem Atonal-Festival schmückt, erodiert der Nährboden für Club-Kultur: die Clubs selbst. Denn neben dem CTM-Closing gab es diesen Sonntag ein zweites: die Abschiedsparty der Grießmühle. Vor wenigen Wochen erfuhren die Betreiber des Techno-Clubs, dass der neue Vermieter, der Immobilieninvestor Siag Property II GmbH, den Mietvertrag nicht verlängern wird, um das Club-Areal ohne Vorbelastung verkaufen zu können. Die Grießmühle darf zwar für die nächsten zwei Monate weitermachen, allerdings in Ausweichlocations. Hier konnte die Politik nicht helfen. Es war die Clubszene selbst, die sich solidarisch zeigte: Zwei Veranstaltungsorte leihen der Grießmühle ihre Räumlichkeiten. Ob es sich bei der Übergangslösung nur um eine lebensverlängernde Maßnahme handelt oder der Club tatsächlich eine neue Heimstatt finden wird, ist bisher offen. Auch dem KitKat, Berlins bekanntestem Fetisch-Club, droht in den kommenden Monaten die Schließung. Und wieder ist es das profitgeleitete Interesse eines Investors, das einen Club bedroht.

Man kann Berlin nicht vorwerfen, das Clubsterben nicht ernst zu nehmen. Aber die Hilflosigkeit der Politik im Kampf gegen die subkulturelle Verödung ist selbst verschuldet. Denn sie stellt Clubs rechtlich nicht mit Konzertsälen, Opern, Theatern und Programmkinos gleich, sondern mit Bordellen und Spielotheken. Und an solche „Vergnügungsstätten“ stellt der Staat höhere Ansprüche, etwa bei Bau- und Lärmschutz.

Doch selbst mit einer Gleichstellung von Clubs mit Theatern, wie sie mittlerweile sogar die Landesfraktion der CDU fordert, bleibt das einzigartige kulturelle Erbe Berlins bedroht. Ein geplantes Fachgespräch im Bundestag wird diesen Trend nicht stoppen können, weder in Berlin noch anderswo in der Republik.

Denn wenn millionenschwere Investoren und mittelständische Clubbetreiber um das gleiche Fleckchen Land in einer zugebauten Metropole kämpfen, ist klar, wer gewinnt. Es droht die Londonisierung Berlins: Während Bürogebäude und Luxuswohnungen die letzten Freiräume der Stadt versiegeln, wird Sub- und Clubkultur immer weiter an den Stadtrand gedrängt.

Früher feierte man direkt in Mitte, heute fährt man dazu an die Rummelsburger Bucht und morgen vielleicht nach Marzahn oder Frankfurt (Oder). Subventionen und baurechtliche Erleichterungen allein werden das nicht verhindern können. Das einzig wirksame Mittel: ein Bestandsschutz für Veranstaltungsorte innerhalb des S-Bahn-Rings. Etwas Ähnliches fordern Linke und Grüne bereits auf Bundesebene. Patrick Wagner