Sophie Jungschaut sich in Berlins Galerien um
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Ein großes fragendes „Hä?“ tut sich zunächst bei Michael Franz’bübisch überkritzelten Infografiken und rauschigen Amateurvideos in der Kienzle Art Foundation auf. Mit dem tautologischen Titel „The Rise and Fall of the Rise and Fall“ verdeutlicht er immerhin, dass er in seiner cool gegen jeglich schöne Hängung aufmüpfenden Installation ein System kommentiert, das weder Sinn noch Ende hat. Die mehrfach ausgedruckte Petition für die abgesetzte Stedelijk-Direktorin Beatrix Ruf legt dann den Pfad: Es geht ihm um den Kunstbetrieb, seine Aufmerksamkeitsökonomie, sein Einzelkämpfertum. Und so dringt durch die erste Unnahbarkeit die wunderbar schwermütige Selbstironie, mit der Franz seine eigene Rolle reflektiert: Für das Video „0163 1615759“ etwa stellt er aus Geburtstagskerzen seine Handynummer nach und lässt sie tropfend vor einer vielbefahrenen Straße niederbrennen. Vielleicht mal anrufen? (bis 29. 2., Do + Fr 14–19, Sa 1–16 Uhr, Bleibtreustr. 54).

Von ganz anderen Formen eines Kunstbetriebs, über politische Grenzen hinausgreifenden nämlich, berichten die Macherinnen von Salonul dei Proiecte aus Bukarest. Bei Spike haben sie Briefwechsel und Arbeiten von rumänischen Künstler:innen zusammengetragen, die in den 1960er und 1970er Jahren des Kalten Kriegs im westlichen Exil lebten, darunter Pavel Ilies rostige Nachbildung einer Flugzeugbombe. Von den politischen Konflikten der Zeit und dem kulturellen Kontrast zerrüttet, entwickelten sie eine eigene künstlerische Existenz im Ausland. Die Archivausstellung holt Unbekanntes und Vergessenes wie André Cadères Holzstab-Performances und Florina Coulins feministische Reflektionen hervor (bis 7. 3., Mo–Fr 12–18 Uhr, Rosa-Luxemburg-Str. 45).

Ironisch und gleichsam tiefernst machen Giegold & Weiß im Schwulen Museum auf Mängel im Rechts- und Gesundheitssystem gegenüber Trans*personen aufmerksam. Fantastische Landschaftsmalereien bedecken zunächst die Ausstellung „TRIAL and ERROR“. Erst bei näherer Betrachtung stellen sich die geschwungenen Schluchten und spitzen Berge als Genitalien heraus, angefertigt von Gerichtszeichner:innen. Quasi per Amt stehen diese für eine binäre und vom Rechtsstaat eingeforderte Geschlechter­identität, hier aber können sie diese Rolle verlassen und das System neu erfinden. Im hinteren Raum treten ein haariges Monster namens Stigma oder die durch Plastikkuddeln versinnbildlichten Chlamydien als humorvolle Metaphern für eine eigentlich fehlende Sexualaufklärung in den Wrestlingring (bis 17. 2.,So, Mo, Mi, Fr 14–18, Do 14–20, Sa 14–19 Uhr, Lützowstr. 73).