Diskussion um Fleischpreis: Das Märchen von den Dinkelmullahs

Der Spin der Union in der Fleisch-Debatte: Widersteh den grünen Ideologen, indem du in grellen Farben mariniertes Steak brätst. Was für ein Unsinn!

Ein Stück Fleisch liegt auf einem weisssen Teller, Messer und Gabel überkreuzt

Den Grünen wird unterstellt, den braven Steuerzahlern das Steak vom Teller fegen zu wollen Foto: Schöning/imago

Interessant an der aktuellen Debatte über Fleischkonsum ist die Erzählung vom dräuenden Verbot. Die Unionsparteien schrauben dabei munter an ihrer Rolle der Möglichmacher, während sie versuchen, die erstarkenden Grünen wie Dinkelmullahs ausschauen zu lassen, die dem braven Steuerzahler das fleißig erarbeitete Nackensteak vom Teller fegen wollen.

Das ist als persönliche Freiheit getarnte Geringschätzung von Bürgern, denen nahegelegt wird, Billigfleisch zu essen sei ein staatsbürgerlicher Akt. Der Spin: Widersteh den grünen Ideologen, indem du in grellen Farben mariniertes Nackensteak brätst.

Was für ein Unsinn. Wahr ist, dass längst auch Facharbeiter oder Auszubildende keine Lust mehr haben auf Discounterfleisch, das der pfennigfuchsende Handel ihnen zugedenkt. Auch Menschen ohne Hochschulabschluss wissen, wie die Landwirte von der Lebensmittelindustrie geknebelt werden. Und auch Arbeitslose lieben ihre Kinder und möchten, dass sie gesund essen.

Ungesunde Ernährung zum Distinktions­gewinn zu verklären ist eine perverse Logik. Aber genau das scheint die Intention der Bundesregierung zu sein. Nach dem Treffen der Handelsriesen mit der Kanzlerin und ihrer Bundesagrarministerin war außer „Du, du!“-Rhetorik nichts zu vernehmen.

De Grünen lassen sich nicht festnageln

Butterweich fabulierte Angela Merkel von „fairen Beziehungen“ zwischen den Akteuren am Markt. Sie verwies auf eine „gewachsene Sensibilität“ bei den Verbrauchern. Und, nein, natürlich werde es keine staatlich verordneten Mindestpreise geben.

Damit schloss Angela Merkel rhetorisch den Kreis zu den scheinbar restriktiven Grünen, als ob die außer Tofubratlingen und Hafermilch nichts kennen würden. Die Grünen sind aber bislang schlau genug, sich nicht auf die ihnen zugedachte Rolle der Spaßverderber festnageln zu lassen. Gerade hat Parteichef Robert Habeck in einem BamS-Interview erklärt, für ihn sei Politik keine „Lebensstil-Frage“. Die Leute sollten ruhig Nackensteaks essen; wirklich dringend sei die Verbesserung des Tierschutzes durch die Politik. Habeck schlägt dafür einen „Tierschutz-Cent“ vor.

Es ist kein abwegiger Gedanke, die Grünen könnten Teil der nächsten Bundesregierung sein. Insofern ist es gut, zu wissen, wofür sie ernährungs- und agrarpolitisch stehen. CDU und CSU täten gut daran, sich das genau anzuschauen und gegebenenfalls daraus zu lernen

Dass Nackensteak-Esser „das Rückgrat der Gesellschaft“ sind, mag auf weite Teile zutreffen. Dass die allerdings weiter die inkonsequenten Unionsparteien wählen, ist damit nicht gesagt. Fleisch zu essen bedeutet nicht, der Politik jeden Quatsch durchgehen zu lassen.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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