Milde Strafen für Besetzerinnen

Gericht verurteilt zwei Aktivistinnen, die sich im Hambacher Wald angekettet hatten, zu Geldstrafen

Aus Düren Bernd Müllender

Die beiden Angeklagten hätten „ein ehrenwertes Anliegen“ gehabt, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung, zudem seien sie in ihrem Widerstand bei der Räumung des Hambacher Waldes am 15. September 2018 „ganz ungewalttätig“ gewesen. Das, so der Dürener Amtsrichter am Freitag, sei im Urteil „zu honorieren gewesen“. Das Strafmaß: 40 Tagessätze zu je 10 Euro. Das entsprach auch der überraschend niedrigen Forderung der Staatsanwältin.

Die beiden nicht identifizierten jungen Frauen, in BesetzerInnenkreisen Winter und Jazzy genannt, auf Behördendeutsch UP 51 und UP 64 (für unbekannte Person), hatten sich im Hambacher Wald in der Baumhaussiedlung Norden hoch oben miteinander verkettet. Dabei halfen ein mächtiger Betonklotz und eine Metallröhre. Das Strafgesetzbuch drohte mit § 113 Abs. 2, dem besonders schweren Fall von Widerstand, nämlich bei Gemeinschaftlichkeit. Dann drohen bis zu fünf Jahre Haft, als Mindeststrafe ein halbes Jahr.

Die beiden Angeklagten verfolgten die Zeugenaussagen der vernommenen Amtspersonen mit mildem Lächeln. Die Aussagen waren, wie oft in Hambach-Prozessen, widersprüchlich, lückenhaft, schwammig, manchmal zum Lachen. Oder sie waren sogar von Desinteresse geprägt, wie beim federführenden Baudezernenten des Kreises Düren, den die Landesregierung angewiesen hatte, aus fadenscheinigen Brandschutzgründen räumen zu lassen: Genaue Erinnerungen, wie wer wann was angeordnet oder getan habe? „Da müsste ich in den Unterlagen nachgucken.“ So viel zur Prozessvorbereitung.

Immerhin, der Mann bestätigte die wichtige Rolle des Konzerns RWE: RWE brachte die Verwaltungsbeamten per Shuttle in den Wald. RWE-Leute seien auch bei Besprechungen dabei gewesen, bestätigte der Baudezernent. Seine eigene Behörde qualifizierte er herab: „Wir als Laien“ hätten Unterstützung gut brauchen können. Sein Mitarbeiter hatte zuvor als Zeuge berichtet, RWE-Mitarbeiter hätten genau angegeben, welche Baumhäuser als nächste anzugehen seien. Und: Konfiszierte Fundsachen hätten RWE-Leute auf deren Gelände mitgenommen. Verbleib danach: unbekannt.

Winters Verteidiger Christian Mertens argumentierte: Wenn RWE das Vorgehen koordinierte, weil die Landesregierung „unter wirtschaftlichem Kotau“ stand, war die Räumung nicht rechtmäßig. Und gegen unrechtmäßige Einsätze könne man nicht verstoßen, geschweige denn deswegen verurteilt werden. Zudem: „Die Brandschutz-Verfügung war handwerklich so voller Fehler, dass sie als juristische Seminararbeit mit null Punkten bewertet worden wäre.“

Darauf wollte der Amtsrichter jedoch nicht eingehen: Ein Hindernis wie den Betonklotz aufzubauen sei zweifellos Gewalt, also Widerstand gegen Beamte. Er habe über Schuld zu urteilen, nicht über politische Kungelei. 40 Tagessätze also blieben – nach zwei Wochen Untersuchungshaft. Verteidiger Mertens behielt sich Rechtsmittel vor.