Spitzenkandidaten zu Gast im taz Salon: Alles keine Buhmänner

Für die Hamburger SPD ist die Option Deutschland-Koalition angeblich kein Thema. CDU und FDP stehen drauf. Grüne erhoffen sich davon Stimmen-Schub.

Eine Frau spricht ins Mikrofon, fünf Personen neben ihr hören zu

Alle da: Fegebank (v.l.), Boeddinghaus, Carini, Weinberg, von Treuenfels-Frohwein, Kienscherf Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Nur der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher fehlte. Ansonsten waren alle Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl am engen Podiumstisch der taz versammelt. Der große Saal des Kulturhaus 73 war überfüllt. In Wohnzimmeratmosphäre und locker moderierend fühlte taz-Redakteur Marco Carini den Bewerbern auf den Zahn.

Ganz genau wusste das Publikum auch gegen Ende des über zweistündigen Abends nicht, wer nun mit wem nach der Wahl am 23. Februar ein Bündnis eingehen würde. Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) sagte am Ende, dass „Ausschließeritis unter Demokraten“ Quatsch sei. „Es gibt ja hier keine Buhmänner unter uns.“

Fest steht auch, dass ein erneutes rot-grünes Bündnis wohl nicht wieder eine Veranstaltung wie den G20-Gipfel 2017 in die Stadt holen würde. Von den Grünen war das bekannt, von der SPD bisher nicht. „Wir würden das sicher nicht noch mal machen“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf, der Tschentscher vertrat, auf die Frage, ob dieses Debakel aufgearbeitet sei. Die aktuelle Zweite Bürgermeisterin und Grüne Spitzenkandidatin Katharina Fegebank hatte schon 2017 die Gipfel-Planung als Fehler bezeichnet.

Und zumindest im Wahlprogramm der Grünen liest es sich so, als wollten sie eine weitere Konsequenz ziehen, indem sie Vermummung auf Demonstrationen nicht mehr als Straftat einstufen wollen, damit die Polizei nicht zwingend eingreifen muss und eine Lage eskaliert. Doch dies gilt seit kurzem nicht mehr, das bestätigte Fegebank im taz Salon. Sie habe Bedenken gegen eine Lockerung des Vermummungsverbots gehört und wolle „nicht mit der Brechstange vorgehen“. Auch habe diese Frage „jetzt keine Priorität“. „Natürlich wollen wir, dass es ein Vermummungsverbot gibt.“

CDU beschwört neuen Geist

An der ungewöhnlichen Gemengelage drei Wochen vorm Wahltermin ändert das nichts. CDU und FDP umgarnen die SPD als Partner für eine schwarz-rot-gelbe „Deutschland“-Koalition. CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg sprach gar von einem gemeinsamen „Geist“ der drei. Eine Lockerung des Vermummungsverbots sei mit ihm nicht zu machen. Und für ihn sei nun mal das Programm der Grünen maßgeblich. „Worauf soll man sich denn sonst verlassen, wenn nicht auf ein Wahlprogramm?“

Dafür gab es Lacher im Saal. Von Treuenfels bemerkte trocken: „Das sagt der Richtige.“ Carini fragte Weinberg, „Das meinen Sie jetzt nicht ernst?,“ und die Linke Spitzenkandidatin Sabine Boeddinghaus fiel ein, „Also Marcus, das glaube ich jetzt nicht“.

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Auch FDP-Frau von Treuenfels beschwor die CDU-FDP-Koalition mit der SPD: „Wenn man die Wahlprogramme übereinander legt, dann sieht doch jeder, dass die ähnlicher sind.“

Gefragt, wie stark die Kräfte in der SPD sind, die so was wollen, sagte Dirk Kienscherf: „Bei uns in der Partei gibt es keine Diskussion hinsichtlich einer Deutschlandkoalition.“ Wenn sich Rot-Grün fortsetze, dann „finde ich, ist das etwas Gutes. Also von daher haben wir eine eindeutige Aussage“.

Linke: Wir werden mal nicht gefragt

Doch SPD-Spitzenkandidat Tschentscher möchte nicht Juniorpartner unter einer grünen Bürgermeisterin sein. Von Carini direkt gefragt, was die SPD tut, wenn sie weniger Prozente als die Grünen bekommt –„gehen Sie dann auf Deutschland-Koalition oder werden Sie Junior-Partner?“, behauptete der SPD-Mann: „Damit haben wir uns noch nicht befasst.“ Erneut Gelächter im Saal.

Gefragt, was denn die Grünen täten, wenn sie nur zweitstärkste Kraft würden, ob sie dann „Jamaika versuchen, wenn es rechnerisch möglich ist“ oder in die Opposition gehen würden, sagte Fegebank, sie sei überzeugt, dass „GroKo plus FDP“ nicht dem Wählerwillen entspricht, und dies eine „starke Mobilisierung zu Gunsten der Grünen“ erzeuge. Doch auch sie halte nichts von „Ausschließeritis“. Die Haltung der Linken, die ein Mitregieren ausschließt, halte sie für eine „schlechte Variante“.

Die Linke Sabine Boeddinghaus hatte zuvor erklärt, dass eine starke Opposition wichtig sei. Zur Kritik der Grünen merkte sie an, dass die Hamburger Grünen anders seien als jene in Bremen oder Berlin. So sei sie von diesen noch nie hinter den Kulissen angesprochen worden, sich für ein Bündnis zu „bewerben“. „Ich höre eher, dass die sagen:,Nee, im Zweifel gehen wir lieber mit der FDP. Ihr seid uns viel zu anstrengend.'“

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