Schabernack mit Weltliteratur

Die Performer von Showcase Beat Le Mot nehmen Miguel de Cervantes’ „Don Quijote“ doch etwas zu leicht

Von Tom Mustroph

Der Abend begann bedingt verheißungsvoll. Ein paar stampfende Beats brachten die mittelprächtige Soundanlage des HAU3 fast an die Grenzen der herstellerseits garantierten Vibrationsmöglichkeiten – ganz so, als wollten sich die Performer von Showcase Beat Le Mot auf diese Art und Weise noch ins Programm des parallel stattfindenden Musikfestivals CTM hineinhacken. In all dem Gedröhn löste sich vom Bühnenrand ein mit Leuchtdioden ausgestatteter Rollstuhl. Darauf saß ein Mensch von dürrer Gestalt. Am Gefährt war zudem ein imposantes Stich- und Hauwerkzeug befestigt. Ja, doch, dies mochte als moderne Reinkarnation des Don Quijote durchgehen.

Showcase Beat Le Mot hatten Cervantes ernst genommen. Sein Ritter war schließlich nach damaligen Vorstellungen bereits ein Greis. Heute steigen Greise nicht auf „Rosinanten“ – so hieß im Original das Pferd des Don –, sondern auf rollende Fabrikate von Marken wie Trendmobil oder Drive Medical. Mit der Wahrheit nehmen sie es auch nicht mehr ganz so genau, sondern verlieren sich in Vorstellungswelten, die aus Träumen und Vergangenheitssplittern amalgamiert sind.

Die ritterlichen Abenteuer ins Altenheim zu verlagern war also konsequent. Und dass des Ritters Diener Sancho Panza nun ganz offiziell als Altenpfleger figuriert, ebenso. Realitätsbewusst übernahm sogar eine Frau, die ursprünglich als Regieassistentin angeheuerte Amelie Haller, den Job. Sie zeigte dem Don dann auch die neue Behausung: mit eigener Küche zwar ausgestattet, aber ohne Bett. Dem Don sei das Liegen im Freien ohne weiche Unterlage doch zur Gewohnheit geworden, lautete die trockene Begründung des Pflegedienstleisters.

Mit derlei Spielereien erschöpfte sich die erste halbe Stunde. Dem einleitenden Blitzauftritt mit Rollstuhl folgten sich elendig in die Länge ziehende Passagen wie etwa die Zubereitung und anschließende Verteilung einer Paella ans Publikum. Weil aber Theaterkritik auch Kund*innendienst ist: Von etwa Minute 30 bis Minute 90 der Show kann man getrost zum Griechen um die Ecke gehen und ehrlich Geld für Retsina und Tsatsiki über die Theke schieben, anstatt kulturgeldgefördert an der Paella-Armenspeisung teilzunehmen.

In der finalen halben Stunde gab es dann, was die vor mittlerweile zwei Jahrzehnten gegründete und damals als popkultur­affinste Formation der postdramatischen Künste gefeierte Truppe gewöhnlich am besten kann: einige Dada-nahe musikperformerische Einlagen, aktuell mit Horn, Drumcomputer und kurzen Ritterreimen ausgeführt.

Zu so schönen Sätzen wie „Warten ist die edelste Pflicht des irrenden Ritters“ schoss dem Rezipienten ein „Warten ist die lästigste Qual des veralberten Zuschauers“ durchs weitgehend unbeschäftigte Hirn.

Showcase Beat Le Mot haben diesen „Don Quijote“ arg reduziert. Sie offerierten zwar einen recht interessanten Handlungsrahmen mit Alter, Demenz und sich verflüchtigender Geisteskraft. Auch einige Denkschleifen über das Verhältnis von Windmühlen und Riesen waren apart. Für den Ritter sind Windmühlen natürlich Riesen. Für Sancho, der anfangs nur Windmühlen sah, werden diese nach längerem Zusammensein mit dem Don zu Riesen, die sich als Windmühlen verkleiden, die vorgeben, Riesen zu sein – eine perfekte Kohabitation in Fantasiewelten.

Mehr als einzelne funkelnde Splitter waren an diesem Abend aber nicht drin.

„Don Quijote“, weitere Vorstellungen: 30.1., 1. 2., 19 Uhr, HAU3