Im Wandel, mittendrin IV

Wo fängt Veränderung an? Wandel aus der Sicht einer Kunstfigur

Foto: Jan Werner

Mira Kandathil ist Performerin, Schauspielerin und Dramaturgin. Ihre Doktorarbeit beschäftigt sich mit Kunstfiguren, Identität und Intermedialität.

Fängt Veränderung bei einem selbst an? Aus der Perspektive einer Kunst­figur (KF) kann ich sagen: Veränderung fängt nicht erst bei mir selbst an, nur durch Veränderung fange ich überhaupt an. Verwandlung ist die Voraussetzung des Seins im Leben einer Kunstfigur.

Hierzu verändern sich Künstler*innen äußerlich und innerlich zum Beispiel durch Kostümierung und Charakterzüge. So schlüpfen sie in Figuren, die wie der Harlekin autonom und subversiv in voller Narrenfreiheit gesellschaftliche Machtstrukturen durchleuchten und scheinbar Selbstverständliches in Frage und auf den Kopf stellen.

Ihre Perspektive auf die Welt, in der wir leben, gewährt uns tiefe und neue Einblicke in alltägliche, soziale und politische Themenkomplexe. Denn ihre Sicht auf ein Thema ist gleichzeitig die Sicht durch das Thema. Sie sind das Thema, indem sie dieses verkörpern und leben. Sie informieren und kritisieren, ohne dabei belehrend zu wirken. Empathisch und ästhetisch wecken sie die Neugierde ihrer Betrachter*innen, eigene Betrachtungsweisen zu verändern; sich selbst zu hinterfragen. „Schaut mich an und schaut euch an, und dann denkt darüber nach, ob ihr nicht alle ein bisschen bärtige Frau in euch habt.“ (Conchita Wurst zu ihrer Biografie) Wir brauchen Kunstfiguren heute, denn sie können Vorurteile abbauen und Verständnis aufbauen; so wie die Kunstfigur Jilet Ayşe, die sich gegen Rechtspopulismus engagiert, indem sie ihr Publikum berührt und zum Lachen bringt. Kunstfiguren entstehen nicht nur durch Verwandlung, sondern bewirken Wandel. Mira Kandathil

Mehr von Mira Kandathil und mehr über Kunstfiguren auf dem taz lab.