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: Der Ort der Musik

Beim Stichwort „Musikethnologie“ denkt man für gewöhnlich an Leute mit Aufnahmegeräten, die ferne Kontinente bereisen, um die Musik der Kulturen dort zu dokumentieren und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Oder an die heroischen Studien der Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály in Ungarn. Aber Franken?

Der in Berlin lebende Komponist Walter Zimmermann hat sich in seinem Großprojekt „Lokale Musik“ mit der Beziehung von „Musik und Landschaft“ auseinandergesetzt. Ort des musikalischen Geschehens, aus dem er sein Material bezog, war „Franken im allgemeinen und die Landschaft des Hinterlandes Fürth um die Stadt Cadolzburg im besonderen“, so Zimmermanns eigene Charakterisierung. Viele Tänze sind darunter, die er in Gesprächen mit Bauern und aus alten „Bauernhefte-Musikbüchern“ zusammengetragen hat. Eine erste Sammlung erschien 1982, jetzt hat das auf Neue Musik spezialisierte US-amerikanische Label Mode Records eine um diverse Neuaufnahmen erweiterte Fassung herausgebracht.

Zimmermann, der selbst im fränkischen Schwabach geboren ist, arbeitete in den frühen siebziger Jahren am ethnologischen Zentrum Jaap-Kunst in Amsterdam. Mitte der Siebziger sammelte er Aufnahmen von US-amerikanischer Volksmusik, unter anderem auch in Reservaten, bevor er sich der Musik seiner Herkunftsregion zuwandte. Aus den USA nahm er zugleich die Anregungen der New York School um John Cage und insbesondere Morton Feldman mit.

Entsprechend reduziert klingt vieles von Zimmermanns Aneignungen in seiner „Lokalen Musik“. Wo beim Ungarn Bartók die akzentuierte Rhythmik dominiert, herrschen bei Zimmermann oft ruhige, flächig wirkende Orchesterarrangements vor. Seine „Zehn fränkischen Tänze“, mit dem Zusatz „sublimiert für Streichquartett“ versehen, haben mit ihren wie körperlosen Flageoletttönen sogar etwas fast Gespenstisches.

Überhaupt erstaunt die stilistische Vielfalt, mit der Walter Zimmermann sich den regionalen Traditionen annähert. Die „15 Zwiefachen“, etwa, die er für Gitarre „transzendiert“ hat, erinnern sogar an minimalistische Folkmusik. Ein Schatz der ganz besonderen Art.Tim Caspar Boehme

Walter Zimmermann: „Lokale Musik“ (Mode/Klassik Center Kassel)