Mäuse bedrohen Bauern

Niedersachsens Landwirte klagen angesichts des milden Winters über eine Feldmaus-plage. Die Grünen wollen Füchse von der Jagd verschonen – der Nutzen ist umstritten

So viele Mäuse wie jetzt gab es auf den Felder und Wiesen zuletzt in den 1980er-Jahren Foto: Kay Nietfeld/dpa

Von Jan Zier

Die Feldmaus ist in Niedersachsen zu einer echten Plage geworden. Im Grunde genommen ja schon im vergangenen, neuerlich trockenen Sommer – doch der milde Winter fördert die Ausbreitung der Tiere sehr. Laut einer Umfrage des niedersächsischen Landvolkes sind landesweit inzwischen bis zu 150.000 Hektar geschädigt. Zuletzt sei eine solche Massenvermehrung von Mäusen in den 1970ern und 1980ern beobachtet worden. Am stärksten betroffen sind derzeit Teile der Wesermarsch, Frieslands, Ostfrieslands sowie die Kreise Cuxhaven, Osterholz und Rotenburg, so die niedersächsische Landwirtschaftskammer.

„Für reine Grünlandbetriebe ist das eine echte Katastrophe“, sagt der Grünlandexperte des Landvolkes, Karsten Padeken. Doch auch für Milchviehbetriebe sind die vielen Mäuse ein Problem: Was Rinder und Kühe hätten fressen sollen, wird nun vorher von Mäusen abgenagt. Sie fressen allerdings auch die Wurzeln ab, die Pflanzen gehen dann bei trockenem Wetter sofort ein. Auf jeder zweiten Wiese oder Weide tummeln sich „Tausende Mäuse“, sagt Padeken. Die unterirdisch wühlenden Tiere hätten sich so stark vermehrt, dass sie auf den betroffenen Flächen einen Totalschaden verursachen. Und: Eine Feldmaus kann bis zu 13 Nachkommen werfen, die dann ihrerseits nach 33 Tagen selbst Mäuse zur Welt bringen können.

Allein im Kreis Leer sind laut den Behörden derzeit 12.000 Hektar von Mäusen derart kahlgefressen, dass dort kein Gras mehr wachse. Doch selbst beim Landvolk ist man eher ratlos, was gegen die vielen Mäuse zu unternehmen ist. „Das ist eine schwierige Frage“, sagt die Sprecherin des Landvolkes. Gift ist keine Lösung: Für die chemische Bekämpfung der Feldmaus sind heute nur noch Mittel mit dem Wirkstoff Zinkphosphid zulässig, der etwa in Giftweizen enthalten ist. Für seine Anwendung gelten aber strenge Auflagen, denn das Gift tötet auch Vögel, die Mäuse fressen, und muss sorgfältig und verdeckt in die Feldmausgänge verteilt werden.

Mit anderen Worten: Wenn die Feldmaus schon zur Plage geworden ist, ist das für die Landwirte sehr aufwändig und ökonomisch nicht sinnvoll, sagt die Landwirtschaftskammer. Und „offenes und breitflächiges Ausbringen“ von Feldmausgift „ist verboten und wird streng geahndet“, warnt das Fachmagazin Agrar Heute.

Bleiben also die natürlichen Fressfeinde der Maus. Laut dem Naturschutzbund (Nabu) hat sich in Niedersachsen schon im letzten Sommer beispielsweise­ die Schleiereule stärker vermehrt als früher, denn sie ernährt sich fast ausschließlich von Mäusen. Allein im Oldenburger Land wurde im vergangenen Jahr nach Angaben des Nabu 1.150 Jungtiere gesichtet.­ In früheren Spitzenjahren sei gerade einmal die 500er-Marke durchbrochen worden. Auch die Falken und Störche profitieren von den vielen Mäusen. 2019 sei für die Weißstörche im Norden „ein herausragendes Jahr“ gewesen, sagt Hans-Jürgen Behrmann vom Nabu – in Niedersachsen wurde die höchste Zahl an Brutpaaren und flüggen­ Jungen seit über 60 Jahren gezählt.

Am 31. Januar will sich Umweltminister Olaf Lies (SPD) in Hannover mit Ver­tre­te­r*in­nen des Landvolks und der Landwirtschaftskammer treffen, um über die Feldmausplage zu beraten. Leers Landrat Matthias Groote (SPD) setzt sich für eine Unterstützung der betroffenen Landwirte ein – und die fühlen sich bisher mit dem Problem „allein gelassen“, sagt die Sprecherin des Landvolkes.

50.799 Füchse wurden in Niedersachsen laut dem Jagdbericht 2018/19 geschossen. 2015/16 waren es 59.563 - seither nehmen die „Fuchsstrecken“ ab. Zum Vergleich: 2009/10 waren es 61.622.

Der Zahl der Füchse sei „nur schwer zu bestimmen“, sagt die Landesjägerschaft. Sie geht davon aus, dass die Populationsdichte 2018/19 im Vergleich zum Vorjahr zwar „leicht abgenommen“ hat, sich in den vergangenen zehn Jahren aber „auf einem relativ gleichbleibenden Niveau“ bewegt.

„Wichtig sind jetzt Maßnahmen, die die natürliche Jagd durch Greifvögel oder Füchse fördern“, sagt die grüne Agrarpolitikerin Miriam Staudte. „Dazu gehört auch, darüber nachzudenken, in bestimmten Gebieten vorerst keine Füchse mehr zu jagen“. Für die Landesjägerschaft ist das aber „zu einseitig gedacht“, wie ein Sprecher sagt – denn wenn es mehr Füchse gibt, sei das gerade für bodennah brütende Vögel „ein Problem“. Die Grünen wollen in der nächsten Sitzung des Agrarausschusses über mögliche Lösungen debattieren.

In Niedersachsen ist die Zahl der abgeschossen Füchse seit 2015 rückläufig, nachdem sie in den beiden Jahren zuvor angestiegen war. Wie viele Füchse es gibt, lässt sich schlecht sagen: Der Fuchsbesatz sei „schwer zu bestimmen“, heißt es im niedersächischen Jagdbericht 2017/18.

Doch auch die Landwirtschaftskammer empfiehlt, die Bejagung von Füchsen „vorläufig einzuschränken“. Ansonsten rät sie unter anderem, Sitzstangen für Greifvögel aufzustellen sowie Hecken und Steinhaufen für Mauswiesel und Hermeline anzulegen. Zudem könnten Grünlandflächen regelmäßig mit Schleppen, Walzen, dem Pflug oder der Fräse bearbeitet werden, um die Mäuse zu stören. Auch die Nutzung von Grünland als Weide könne helfen.