Weltwirtschaftsforum in Davos: Plötzliches Ergrünen

Das Weltwirtschaftsforum in Davos gibt sich klimafreundlich. Doch erst wenn es für Firmen ums Überleben geht, wird sich etwas bewegen.

Luftbild der schneebedeckten Alpen bei Davos

Die Alpen zwischen Zürich und Davos Foto: Jonathan Ernst/reuters

Die Klimakonferenzen der UNO haben zu Recht einen schlechten Ruf: Da wird viel geredet und anschließend kaum gehandelt. Der gleiche Vorwurf trifft das Weltwirtschaftsforum in Davos: Wenn sich jetzt wieder die Staats- und Firmenchefs im Schnee treffen, um zu beraten, wie „die Klima-Apokalypse“ zu verhindern sei, ist das absurd.

Sind es doch gerade das Handeln und Nichthandeln in Politik und Unternehmen, die uns immer tiefer in die Klima­krise steuern. Da hilft es auch nicht viel, wenn diese Eliten den CO2-Ausstoß der Veranstaltung kompensieren und aufmerksam der Diskussion „Das 21. Jahrhundert überleben“ lauschen.

Die Debatte könnte hier enden: grüne Heuchler im weißen Davos. Sie fängt hier aber erst an. Denn erstens zeigt das Treffen, dass Unternehmen ähnlich schwer umzusteuern sind wie Staaten; nur wenige Chefs schaffen es, ihr erprobtes Geschäftsmodell so ernsthaft und schnell wie erforderlich von fossilen Rohstoffen zu befreien. Wo die Politik von Wählerstimmen abhängig ist, hängt die Wirtschaft am Profit. Dass Wirtschaftsbosse meinen, sie könnten die Probleme besser lösen als PolitikerInnen, ist weltfremd. Bewiesen haben sie es zumindest noch nicht.

Vorstandschefs können Bilanzen lesen, auch Klimabilanzen. Die Wissenschaft zu ignorieren gefährdet das Geschäftsmodell

Zweitens zeigt das potemkinsche Ökodorf Davos, dass Vorstände auf Druck von außen mindestens so sensibel reagieren wie Regierungen. Ein paar Demos gegen das geheiligte Firmenlogo, schon herrscht Krisenstimmung. Auf den Straßen, vor Gerichten und beim Verkauf ihrer Produkte haben Firmen viele empfindliche Stellen. Wer Klimaschutz will, kann dort Druck erzeugen.

Und schließlich zeigt das plötzliche Ergrünen des Forums: Kapitalisten glauben nicht an Ideen, sondern an Zahlen. Vorstandschefs können Bilanzen lesen, auch Klimabilanzen. Die Wissenschaft zu ignorieren gefährdet dagegen ihr Geschäftsmodell. Sobald das „Weiter so“ teurer wird als das „Verändern wir uns“, werden sie schnell umschwenken.

Wann dieser Punkt erreicht ist, hängt einerseits davon ab, wie man seine Milliarden verdient – der Chef eines Internetkonzerns kann leichter zum Öko werden als der Ölprinz. Andererseits entscheiden darüber Politik und Zivilgesellschaft. Sie können durch Gesetze und Proteste den Preis für den Klimaschmutz hochtreiben und gleichzeitig die Anreize für echten Wandel vergrößern.

Es gibt dafür die Konzepte, das Wissen und das Geld. Aber nur, wenn das „Überleben im 21. Jahrhundert“ zentral für die Kosten-Nutzen-Rechnung von Unternehmen wird, kann Davos etwas bewirken. Wenn nicht, sollten die Besucher lieber Ski fahren. Solange in den Alpen noch Schnee liegt.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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