berliner szenen
: Nachtleben mal ganz alleine

Ich muss feststellen, dass es mir nicht mehr so viel Spaß macht wie früher, alleine in einer Kneipe zu sitzen. Das ist gerade so eine Phase. Ich bleibe lieber zu Hause und koche. Für mich. Ich probiere Rezepte aus. Das ist auch was Neues, ich habe noch nie nach Rezepten gekocht. Ich finde es ein bisschen schade, das Nachtleben Berlins nicht mehr ganz zu genießen, aber es ist, wie es ist.

Heute sitze ich doch bei Peppi Guggenheim in Neukölln – alleine. Es ist Samstagabend. Es ist ganz animiert. Früher habe ich mich getraut, in solchen Situationen auf meinem Notizbuch zu schreiben. Gerade fühle ich mich wohler, wenn ich es auf meinem Handy mache, unauffällig. Die Barfrau spielt DJane, Michael Jackson, Madonna, so ein Kram.

Es ist genauso voll und verraucht wie immer. Eine junge Frau berichtet noch von ihren Feiertagen bei der Familie, vielleicht trifft sie ihren Freund seitdem erst jetzt wieder. Zwei Freunde reden über Frauen, konkret über die Halbschwester von einem von ihnen, die er nach zwölf Jahren wiedergesehen hat. Sie sei mittlerweile 24 geworden. Der andere fragt, ob sie sich verliebt haben, ohne zu wissen, dass sie Geschwister sind, wie bei einer mexikanischen Telenovela.

Eine junge Frau sagt, ihr Vater sei sehr deutsch, ein Rassist, sagt sie. Den Rest kriege ich nicht mit, weil es so laut ist. Am Ende bedankt sie sich bei ihrer Gruppe für das Zuhören. Hinter mir, an einem Tisch klingt eine Stimme genauso wie die Stimme des Samosas-Verkäufers, als würde er plötzlich mit den Gästen sitzen und seine Geschichte erzählen, was leider noch nie in meiner Anwesenheit passiert ist. Er kommt in dem Moment rein und ruft: „Lecker, lecker.“ Ich esse zwei Samosas mit scharfen Soßen. Ich trinke Bier, rauche Tabak und finde es gerade schön, einfach hier zu sein.

Luciana Ferrando