Tote und Verletzte in Khartum: Sudans Reformen in Gefahr

Sudans neue Regierung reformiert den Militärapparat der Bashir-Diktatur. Jetzt meutern Geheimdienstler, die um ihre Jobs fürchten.

Soldaten sperren Straße ab

RSF-Paramilitärs (im Hintergrund) sperren eine Straße in Khartum nach der Niederschlagung der Meuterei Foto: Mohamed Nureldin Abdallah/reuters

NAIROBI taz | Eine unterdrückte Meuterei in zwei Kasernen des gefürchteten Geheimdienstes von Sudan (NISS) am Dienstag ist ein deutlicher Beweis, dass Sudan auch nach der Überwindung der Militärherrschaft noch einen langer Weg zu gehen hat, bevor Ruhe und Frieden gesichert sind. Die Aufständischen rebellierten gegen ihre finanzielle Abfindungen und forderten Möglichkeiten, in den Sicherheitskräften von Sudan zu bleiben. Als Teil der Umstrukturierung des Militärs wird nämich der NISS gerade reformiert.

Die Meuterei begann, als NISS-Mitglieder von Wacheinheiten in den Kasernen in Kafour nördlich von Khartum und Riyadh, einem Stadtviertel der Hauptstadt in der Nähe des internationalen Flughafens, die zwei Kasenen verlassen sollten und sich weigerten. Ihre Einheit sollte aufgelöst werden, und sie haben die Wahl, entweder die Streitkräfte zu verlassen oder in die paramilitärische RSF (Rapid Support Forces) aufgenommen zu werden, die seit kurzem ein integrierter Teil der Armee ist.

Das wollten sie aber nicht. Die Rebellen scheinen vor allem in die Luft geschossen zu haben. Nach amtlichen Angaben kamen drei Zivilisten und zwei NISS-Mitarbeiter ums Leben und vier wurden verletzt. Die Regierung sagt, dass die Meuterei durch Gespräche beendet wurde.

Aber die Einwohner von Khartum verbrachten 15 ängstliche Stunden, während ständig Schüsse ständig zu hören waren. Der Flughafen wurde geschlossen. Khartum hat ein halbes Jahr relativer Ruhe hinter sich, nachdem voriges Jahr bei der Zuspitzung des Protestes gegen das Militär hunderte Menschen umgekommen waren. Die Demonstrationen sorgten im April 2019 für den Sturz von Militärdiktator Omar Hassan al-Bashir nach dreißig Jahren an der Macht, wurden zwei Monate später mit Gewalt aufgelöst und erreichten dann nach langen Verhandlungen die Bildung einer Übergangsregierung aus Militär und zivilen Politikern, die Sudan zu freien Wahlen führen soll.

Als die Waffen wieder schwiegen, versicherte Premierminister Abdallah Hamdok der Bevölkerung, dass alles unter Kontrolle sei. Er twitterte: Die Vorfälle, twitterte er, „werden uns und unsere Mission nicht aufhalten, und sie sind auch kein Grund für uns, von den Zielen unserer Revolution zurückzuweichen.“ Er bekräftigte „unser Vertrauen in die sudanesischen Streitkräfteihre Fähigkeit die Situation zu kontrollieren.“

Hamdok ist ein Befürworter der Reformen der Armee, in der Hoffnung dass die Streitkräfte dann weniger Geld verschlingen. Unter Bashir floss 80 Prozent des Staatshaushaltes in das Militär. Hamdok hofft, das auf 20 Prozent zu senken.

Zentrales Unterdrückungsinstrument

Die NISS war ein zentraler Teil von Bashirs Unterdrückungsapparat. Sie war nicht nur ein Geheimdienst, sondern ein schwer bewaffneter Teil der Streitkräfte.Als im Dezember 2018 die Protestwelle gegen Bashir begann, waren es NISS-Angehörige, die im Auftrag des Staatschefs ungefähr 40 Demonstranten töteten, um die Proteste auseinanderzuschlagen – vergeblich, wie sich erwies.

Die NISS stand lange unter Leitung van Salah Gosh, ein Islamist und Vertrauter von Bashir. Gosh spielte eine wichtige Rolle, als die Zentralmacht in Khartum 2003 die Janjaweed-Miliz in Darfur aufbaute, eine Reitermiliz von Hirtenvölkern, die Aufstände in Darfur brutal bekämpfte. Gosh hatte auch in den 1990er Jahren Osama bin Laden geholfen, eine Al-Qaida-Basis in Sudan aufzubauen.

Es war Bashir bevorzugte Strategie der Aufstandsbekämpfung in den verschiedenen Bürgerkriegen Sudans, nicht in erster Linie die Streitkräfte sondern vor allem Milizen einzusetzen. Die wurden alle Teil der nationalen Armee, wie auch die Janjaweed unter dem Namen Rapid Support Forces (RSF) in die Armee integriert wurde. Die neuen Machthaber versuchen jetzt, das alles wieder rückgängig zu machen und die Armee neustrukturieren. Dabei stoßen sie auf erheblichen Widerstand jener Kräfte, die aus den Streitkräften ausgschlossen werden sollen, darunter eben auch die NISS.

In der Armee, in der Wirtschaft und in Staatsdienst gibt es viele, die ihre Stellungen Bashir verdanken und sie jetzt nicht aufgeben wollen. Das sind keineswegs nur Anhänger der diktatorischen und islamistischen Ideologie des Bashir-Regimes. Der NISS-Aufstand zeigt, wie zerbrechlich Sudans Reformkurs ist. Premierminister Hamdok und seine Regierung müssen äußerst vorsichtig manövrieren.

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