Spionage durch Bundesnachrichtendienst: Grenzenlose Grundrechte

Das Bundesverfassungsgericht prüft die Auslandsüberwachung des BND. Ausländer könnten sich bald auf deutsche Grundrechte stützen.

Eine Überwachungskamera ist am Zaun der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes befestigt

Künstliche Palmen in Deutschland: Die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin Foto: Stefan Boness/Ipon

KARLSRUHE taz | Ausländer können sich wohl weltweit gegenüber dem Bundesnachrichtendienst (BND) auf deutsche Grundrechte berufen. Das zeichnet sich nach der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum novellierten BND-Gesetz ab. Dies wird vermutlich zu Korrekturen am Gesetz führen.

Durch den US-amerikanischen Whisteblower Edward Snowden wurde 2013 bekannt, wie Geheimdienste systematisch mit Hilfe von Suchbegriffen international den Telefon-, E-Mail- und SMS-Verkehr überwachen und auswerten. Zuerst richtete sich die Empörung auf den US-Geheimdienst NSA. Dann wurde aber bekannt, dass auch der deutsche BND im Ausland ähnlich agiert.

2016 schuf die Bundesregierung im BND-Gesetz immerhin eine gesetzliche Grundlage für die Auslandsaufklärung des BND. Mithilfe von Filtern sollten Deutsche und teilweise auch EU-Bürger vor der BND-Ausspähung geschützt werden. Für sonstige Ausländer war aber kaum Schutz vorgesehen.

So darf der BND nun offiziell die Kommunikation von Ausländern weltweit abhören und überwachen. Er darf Verkehrsdaten, also „wer hat wen wann angerufen“, sechs Monate lang auf Vorrat speichern und auswerten. Und er darf Kommunikation auch im Auftrag befreundeter Dienste überwachen und anhand bestimmter Suchbegriffe, „Selektoren“ genannt, ungeprüft an andere Geheimdienste wie den NSA weiter­geben.

Nur ein Türöffner

Dagegen klagten sieben internationale Journalisten und die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG). „Die weltweite Überwachung des BND schüchtert investigative Journalisten ein“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Karlsruhe, das BND-Gesetz verletze deutsche Grundrechte.

Mihr berief sich dabei vor allem auf die Fernmeldefreiheit und die Pressefreiheit, wie sie im Grundgesetz garantiert sind. Die klagenden Journalisten waren nicht nach Karlsruhe gekommen. Ihre Klagen sind nur der Türöffner, damit sich das Bundesverfassungsgericht ganz grundsätzlich mit dem Gesetz beschäftigen kann. Hinter der strategischen Klage steht die 2015 gegründete Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).

Für die Bundesregierung verteidigte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) das Gesetz. Die Auslandsaufklärung des BND sei erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu sichern. Nur dank der Informationen des BND könne sie sich ein eigenes Bild von internationalen Krisenherden wie in Libyen machen. Der BND schütze die Bundeswehr bei Auslandseinsätzen und helfe beim Schutz gegen internationalen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Ein rechtsstaatliches Gesetz wie in Deutschland sei „international einzigartig“.

Im Mittelpunkt des Karlsruher Verfahrens steht die Frage, ob sich ausländische Kläger wirklich auf deutsche Grundrechte berufen können. Bisher hatte das Bundesverfassungsgericht dies offen gelassen. Für Rechtsprofesser Matthias Bäcker, der ROG vertritt, ist die Sache klar: „Der BND ist eine deutsche Behörde und deshalb an deutsches Recht gebunden, egal wo er handelt“. Fernmeldegeheimnis und Pressefreiheit seien im Grundgesetz auch nicht auf Deutsche beschränkt.

Urteil wohl erst in einigen Monaten

Früher hat die Bundesregierung eine Grundrechtsbindung im Ausland generell abgestritten. „Wenn zwei Ausländer im Ausland miteinander kommunizieren, fällt das nicht in den Schutzbereich des Grundgesetzes“, hieß es. So weit wollte Rechtsprofessor Joachim Wieland, der die Regierung in Karlsruhe vertrat, nicht gehen. Er differenzierte: Der BND sei zwar auch im Ausland an Grundrechte gebunden. Das führe aber nicht dazu, dass Ausländer sich beim Bundesverfassungsgericht auf diese berufen können.

Doch auch damit wird die Bundesregierung in Karlsruhe wohl nicht durchkommen. „Das nimmt den Grundrechten doch ihre Substanz, wenn man sich persönlich gar nicht auf sie berufen kann“, sagte Verfassungsrichter Johannes Masing, der das Urteil vorbereitet. Auch andere Richter zeigten sich skeptisch.

Wieland warnte daher: „Wenn sich weltweit jeder auf deutsche Grundrechte berufen kann, dann gälte das auch bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr“, so Wieland, „auch könne jeder im Ausland Asyl beantragen, wenn er in eine deutsche Botschaft gelangt, er muss gar nicht mehr nach Deutschland kommen“. Richter Masing machte aber deutlich, dass das Gericht in diesem Verfahren nur über die BND-Tätigkeit im Ausland entscheiden werde.

Im zweiten Teil der Verhandlung wollte sich das Bundesverfassungsgericht das BND-Gesetz genauer anschauen. Auch wenn deutsche Grundrechte gelten, ist die Auslandsüberwachung durch den BND nicht per se verboten, sie müsste aber verhältnismäßig sein. Masing deutete an, dass für ihn dabei eine bessere Kontrolle des BND im Mittelpunkt steht. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

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