25 Jahre Fritz Bauer Institut: Als die Nazis noch lebten

Nach 1945 war es schwierig, antifaschistische Institutionen in der Bundesrepublik zu etablieren. Besonders wenn es um jüdische Geschichte ging.

S/W-Porträt, Fritz Bauer, Brille graues Haar, 1964

Fritz Bauer (geb. 1903) wurde 1968 tot in der Badewanne aufgefunden Foto: Robert Lackenbach

Im Januar vor 25 Jahren wurde das Fritz Bauer Institut in Frankfurt gegründet. Katharina Rauschenberger erinnerte am letzten Donnerstag in einer Veranstaltung in Frankfurt daran. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut stellte die komplizierte, phasenweise chaotische Gründungsgeschichte des Instituts dar. In einer Diskussion erörterten unmittelbar Beteiligte wie Norbert Frei, Volkhard Knigge, Jutta Ebeling, Gottfried Kößler und Sybille Steinbacher die Geschichte aus ihrer Perspek­tive.

Dass die „Luftnummer“, wie der Gründungsdirektor Hanno Loewy das Projektierungsstadium des Instituts nannte, am Boden landete, ist der Hartnäckigkeit zu verdanken, mit der die Idee eines „Lern- und Dokumentationszentrums“ verfolgt wurde: von interessierten Bürgern, von Ignatz Bubis, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, von Hanno Loewy und Andrzej Bodek (den Initianten des Zentrums) sowie von SPD-Politikern wie Volker Hauff, Andreas von Schoeler und Hans Eichel.

Loewy und Bodek hatten im 1988 neu gegründeten Jüdischen Museum eine viel beachtete Ausstellung zum Getto Lodz (Titel: „Unser einziger Weg ist Arbeit“) gestaltet. Der Frankfurter Magistrat beauftragte Loewy daraufhin mit einer Expertise für ein „Lern- und Dokumentationszentrum des Holocaust“. Ein Gutachten lag 1991 vor und erwies sich als ein „großer Wurf“, so Rauschenberger. Es begutachte die – mangelhafte – nationale Gedenkstättenlandschaft im internationalen Vergleich, ebenso den Stand von Forschungseinrichtungen zur Geschichte der Vernichtung des europäischen Judentums.

Politische Entwicklungen beeinflussten das Projekt von Anfang an. Es verstand sich auch als eine Antwort auf die „geistig-moralische Wende“, die Bundeskanzler Helmut Kohl 1983 verkündet hatte und die von konservativen Intellektuellen (Hermann Lübbe, Ernst Nolte, Michael Stürmer und andere) mehr oder weniger offen als Beginn der Normalisierung der BRD, das heißt der Begradigung der deutschen Geschichte propagiert wurde.

Lern- und Lehrzentrum

Dagegen erhoben linke Intellektuelle ihre Stimme und bestanden auf der politischen Verantwortung von Bürgern, Wissenschaft und Politik für die Vergangenheit. In den aufregenden Konflikten Ende der 1980er Jahre gab es zudem eine Tendenz, die Verbrechen, die seit der TV-Serie „Holocaust“ (1978) unter dieser Chiffre vermehrt ins Bewusstsein vieler eindrangen, mit dem Beharren auf „Einmaligkeit“, „Unvergleichbarkeit“ oder „Unvorstellbarkeit“ (Knigge) gegenüber kritischer Aufklärung zu immunisieren.

Die Bundesregierung war für die Mitfinanzierung nicht zu gewinnen

Nach Hanno Loewy sollte das Lern- und Lehrzentrum nicht zu einem Ort von ritualisiertem Gedenken und nationaler Identitätspirouetten werden, sondern zu einem des historischen Begreifens. Mit dem Untergang der DDR geriet die BRD in die Verlegenheit, die intensive, wenn auch parteilich akzentuierte Gedenkstättenkultur der DDR zu erben und Gleichwertiges setzen zu müssen.

Das Problem verschärfte sich unter dem Eindruck der rassistisch motivierten Brandanschläge von Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda. Trotz der Offensive des völkischen Nationalismus und Rechtsradikalismus, die den Beitritt der DDR begleiteten, war die Bundesregierung für eine Mitfinanzierung des geplanten Lern- und Lehrzentrums nicht zu gewinnen.

Der Frankfurter Kulturdezernentin Linda Reisch ist es zu verdanken, dass seit 1992 eine Expertengruppe in Planung und konzeptionelle Ausrichtung einbezogen werden konnte. Im August 1992 kam in dieser Gruppe die Idee auf, das Institut nach Fritz Bauer zu benennen. Dessen Name kannten damals nur wenige. Noch im „Brockhaus. Die Enzyklopädie“ von 1996 fehlt er.

Fritz Bauer, ein streitbarer Jurist

Bauer war Jurist, überlebte als deutscher Jude KZ-Inhaftierung, Exil und Untergrund. Nach 1945 wurde er schließlich Generalstaatsanwalt und lieferte sich juristische Kontroversen mit dem von ehemaligen Nazis durchsetzten bundesdeutschen Justizapparat. Er trug maßgeblich dazu bei, dass es dem israelischen Geheimdienst gelang, den Massenmörder SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann 1960 in ­Buenos Aires aufzuspüren und nach Entführung in Israel vor Gericht zu stellen.

Das Fritz Bauer Institut sollte, so die Hoffnung, mit 10 bis 15 Wis­sen­schaft­le­r*in­nen, ­Administration und einem Gesamtetat von rund 2,25 Millionen Euro ausgestattet werden. Das war utopisch, aber mit der Gründung des „Fördervereins Fritz Bauer“ artikulierte die Bürgergesellschaft ihr Interesse am Projekt. Am Ende gab es eine Stelle für Hanno Loewy und die Freistellung von zwei Lehrkräften vom Unterricht, Jacqueline Giere und Gottfried Kößler.

Erst 1994 einigten sich Land, Stadt und Förderverein auf die Finanzierung des Instituts. Am 15. 1. 1995 wurde die Stiftungsurkunde unterzeichnet. Neben Forschung, Dokumentation, pädagogischer Hilfe für Lehrer und Schüler ist das Institut seither auch publizistisch tätig. Neben Fritz Bauers Schriften wurden auch die Quellen zu den Auschwitz-Prozessen aus den Jahren 1963 und 1965 aufbereitet.

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