Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Das Wüste lebt

Klingen tut’s nach Country Blues aus Sumpf und Wüste, der auf eine Weise vom Sterben erzählt, dass es einem wohlige Schauer macht. Dabei ist erstens nun wirklich nichts Schönes daran – und The Dead Brothers stammen zweitens aus den Alpen. Inszenierter kann Musik jedenfalls kaum sein, obwohl die Sache todernst ist und ja nun wirklich jede*n etwas angeht.

Erlebt habe ich das einmal hoch oben auf einem Berg, wo in der prallen Sonne das Publikum so langsam den Austrocknungstod starb – oder sich jedenfalls so fühlte – als Alain Croubalian und seine Band von der Bühne kletterten und einen Beerdigungsumzug durch die Sitzenden und die bereits Umgekippten veranstalteten.

In meiner Erinnerung trugen sie windschiefe Zylinder auf den Köpfen und hatten grinsende Schädel statt Gesichter – vielleicht beides, ganz bestimmt aber Letzteres mag eine hitzebedingte Fatamorgana gewesen sein.

Oder besser: die Phantasmagorie einer Zwischenwelt, die sich nicht so richtig fassen lässt, die aber verbindlich ist und auch als Spiel noch ernst genommen werden will.

Geografisch wäre dieser Ort die Schweiz, wo sich ja nicht nur die Dead Brothers in einer Provinz der amerikanischen Südstaaten begreifen (der 50er-Jahre, wohlgemerkt), sondern ein inzwischen doch beachtlich großer Kunstzusammenhang um das von Reverend Beat-Man mit religiösem Eifer betriebene Label Voodoo Rhythm Records entstanden ist.

Angepunkte Kunstmusik vertreibt man dort, von der handgemachten Sorte. Und das mit langem Atem: „Dead Music for Dead People“ war 2000 das erste Album der Dead Brothers, heute sind es acht.

Rau ist das und mitunter wüst: Blues mit Post-Punk-Drive, der anders als im Genre üblich nicht vom Düsterkitsch gekittet wird, sondern von den wohlüberlegten Konzepten des Theaters. Kurt Weill lässt grüßen und tatsächlich ist Croubalian auch regelmäßig auf und hinter Schauspielbühnen zu sehen.

Bert-Brecht-Aufführungen hat die Band natürlich begleitet, und vielleicht sogar noch naheliegender: „Wilhelm Tell“, Schillers Biopic über den nach Beat-Man und Croubalian wichtigste Rebellen der Schweiz. Gerade besorgt er am Hamburger Schauspielhaus die musikalische Leitung für Falk Richters Inszenierung des Bowie-Stücks „Lazarus“.

Zeit für eine weitere Premiere hat er trotzdem noch und steht am Freitag erstmals „Solitaire“ auf der Bühne – als Solist in der Schule 21. Was genau er dort vorhat, wüssten vermutlich auch die Veranstalter gern.

Darauf, dass es gut wird, verlassen sie sich aber wohl zu Recht. Um Hölle, Tod, Teufel und die Rebellion gegen den Kosmos wird’s wohl gehen. Ein ganz normaler Abend also, in Hemelingen.

Fr, 24. 1., 19.30 Uhr, Schule 21