Coronavirus in China: Millionenstädte unter Quarantäne

Wuhan und andere Städte werden abgeriegelt, das Neujahrsfest in Peking ist abgesagt. Diese Maßnahmen könnten zu spät kommen.

Rote und lila Dekorationen und ein Mann mit Gesichtsmaske

Shopping für das bevorstehende Neujahrsfest – überschattet von der Ausbreitung des Coronavirus Foto: Chinatopix/ap

PEKING taz | An Tagen wie diesen könnte die Realität der Bevölkerung und die der offiziellen Staatslinie nicht weiter auseinander liegen: Selbst zehn Minuten nach Beginn der Abendnachrichten „Xinwen Lianbo“ im Staatsfernsehen – der chinesischen „Tagesschau“ – hat der Sprecher noch kein Wort über den Coronavirus verloren.

In den sozialen Netzwerken hingegen erhalten einige Kurzvideos bis zu 1,5 Milliarden Klicks. Darin sind heillos überfüllte Krankenhäuser in der zentralchinesischen Stadt Wuhan zu sehen, die verzweifelte Patienten abweisen müssen.

Seit Donnerstag geht es in Wuhan weder rein noch raus: Die Regierung hat die 11 Millionen Einwohner de facto unter Quarantäne gestellt. Die U-Bahn fährt nicht, die Zuganbindungen wurden gestrichen und der Flugverkehr ist lahmgelegt. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Donnerstag berichtete, sollen auch die Autobahnverbindungen gekappt worden sein.

Eine Stadt von der Fläche und Einwohnerzahl Londons ist von der Außenwelt abgeschnitten. Auch die benachbarten Städte Huanggang, Ezhou und Chibi sollen abgeriegelt werden.

Virologe ist pessimistisch

Die Regierungsmaßnahmen werden in diplomatischen Kreisen als radikaler, wenn auch aus medizinischer Sicht nachvollziehbarer Schritt bezeichnet. Das Coronavirus stammt aus einem Fischmarkt in Wuhan, bislang haben alle bekannten 650 Ansteckungen – Stand Donnerstagnachmittag – ihren Ursprung in der Stadt. Doch ob die Maßnahme rechtzeitig erfolgt ist, bleibt fraglich.

Der Virologe Guan Yi aus Hongkong zeigt sich pessimistisch. Vor 17 Jahren half er bei der Bekämpfung der Sars-Epidemie, nun ist er Anfang der Woche nach Wuhan gereist, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Sein Urteil fällt vernichtend aus, wie er dem vergleichsweise unabhängigen Medium Caixin schildert: „Selbst am Flughafen von Wuhan war nicht einmal der Boden desinfiziert und die Sicherheitsbeamten beim Check-in trugen nur simple Einwegmasken.“

Das neuartige Virus sei schwerer einzudämmen als Sars, weil die Symptome erst nach zwei Wochen zutage treten. Die Isolation der Stadt sei wenig wirkungsvoll, weil viele Leute die Stadt bereits verlassen haben.

Der Ausbruch des Coronavirus erfolgt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Derzeit beginnt mit dem Neujahrsfest die Hauptreisezeit des Jahres, bis zu 400 Millionen Chinesen besuchen ihre Familien. Peking sagte das öffentliche Neujahrsfest nun ab. Bereits jetzt gelten von den 25 Provinzen Chinas nur mehr sieben offiziell noch als Coronavirus-frei.

Erster Fall in Singapur

In einem aktuellem Bericht der Investmentbank UBS heißt es, die chinesische Regierung arbeite „wesentlich proaktiver und transparenter“ daran, den Virus einzudämmen als noch bei der SARS-Krise. Zudem habe sich das Gesundheitssystem seither wesentlich verbessert. Damals dauerte es rund ein halbes Jahr von der ersten Ansteckung bis zur Kontrolle. Über 650 Chinesen auf dem Festland und in Hongkong fielen damals der Epidemie zum Opfer.

Jedoch ist die Bevölkerung Chinas mittlerweile wesentlich mobiler, was die Gefahren für eine raschere Verbreitung erhöht. Die Anzahl an internationalen Flugverbindungen etwa hat sich seither mehr als versechsfacht. Am Donnerstag wurde dann auch in Singapur ein Virus-Fall entdeckt – ein Chinese aus Wuhan.

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